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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Schon verbrannt? Plagiatsvorwürfe gegen Bogdan Roščić (r.), hier bei der Pressekonferenz anlässlich seiner Ernennung © Regina Aigner/bundeskanzleramt.at

Pasticcio

Täuschen und Tricksen?

In Zeiten, in denen die Internet-Fahnder sich mehr denn je auf die Fersen von Wahrheit und Lüge machen, erwischt es bekanntermaßen regelmäßig auch Promis aller Art. Gestern war man noch mit ruhigem Gewissen ins Bett gegangen. Und schon am nächsten Morgen folgt das böse Erwachen: Man ist in den Schlagzeilen! Der Vorwurf: Man soll geistigen Diebstahl begangen haben! Damals. Als man seine akademische Laufbahn mit einem Doktorgrad krönen wollte, der einem vielleicht ja auch als Karrieretür- und -toröffner nützlich sein könnte. In der deutschen Politikerlandschaft haben die Plagiatsjäger bereits so manche Ungereimtheiten aufgedeckt und damit den Aufstieg potenzieller Hoffnungsträger vorerst gestoppt (Stichwort: Guttenberg). Nun also befindet sich Bogdan Roščić im Visier. Noch im letzten Jahr war sein Name nur Insidern der Klassik-Branche geläufig. Seit man ihn aber zum designierten Wiener Staatsoperndirektor gekürt hat, der sein Amt 2020 antreten soll, ist er ein vielgefragter und auch vielbeäugter Mann des öffentlichen Lebens. Und weil man eben genau wissen möchte, wer den schwergewichtigen Opernmanagerposten übernehmen wird, wurde nun auch Roščić´ Promotionsarbeit von 1988 auf links gedreht bzw. auf möglicherweise zweifelhafte Stellen untersucht.
Es geht um seine wissenschaftlichen Arbeit „Gesellschaftstheorie als kritische Theorie des Subjekts: zur Gesellschaftstheorie Th. W. Adornos“, die er 1988 an der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien eingereicht hatte. Dass er sich dabei jedoch nicht an die formalen Standards gehalten haben soll, ist jetzt dem österreichischen Plagiatsexperten Stefan Weber aufgefallen. So soll Roščić allein für die Einleitung seiner Dissertation fünf Seiten nahezu wortwörtlich und bis hin zu den Literaturhinweisen von der Doktorarbeit „Die Methodologie Kritischer Sinnsuche – Systembildende Konzeptionen Adornos im Lichte der philosophischen Tradition“ abgeschrieben haben, die der deutsche Publizist Peter Decker 1982 verfasst hatte, heißt es. „Die Einzelheiten der nun monierten Verwendung kann ich, auch wegen der knapp 30 Jahre Abstand, derzeit nicht rekonstruieren“, so Bogdan Roščić in einer ersten Stellungnahme. „Ich bin mit der Universität Wien hierzu in Kontakt, sie wird meine Arbeit der entsprechenden Prüfung unterziehen.“ Sollte nun ein von der Universität Wien eingesetzter externer Gutachter die Vorwürfe bestätigen, müsste sich Roščić wohl von seinem Doktortitel verabschieden. Doch es muss nicht zwangsläufig heißen, dass das auch das Aus für den kommenden Staatsoperndirektor bedeuten würde. Zwar hat noch einmal die Kultursprecherin der ÖVP betont: „Die Wiener Staatsoper ist eine Kulturinstitution mit international hervorragendem Ruf und gutem Renommee. Dieses Aushängeschild der österreichischen Hochkultur ist so etwas wie eine Visitenkarte Österreichs. Daher muss auch der Ruf des Staatsoperndirektors untadelig sein.“ Wie der Fall der deutschen Ex-Bildungsministerin und Ex-Doktorin Annette Schavan aber ja gezeigt hat, kann selbst so ein Plagiatsskandal ideal für höhere Aufgaben sein. Immerhin ist sie seitdem Botschafterin im Vatikan.

Guido Fischer



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