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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Evelyn Meining (c) Susanne van Loon/MFW

Mozartfest Würzburg

Helle Vernunft

Das Festival steht 2018 unter dem Motto „Aufklärung. Klärung. Verklärung“ – und schöpft künstlerisch aus dem Licht der Erkenntnis. Ein Gespräch mit Festival-Intendantin Evelyn Meining.

Rondo: In Zeiten von Fake News, Trump und AfD ist das diesjährige Festival-Motto „Aufklärung. Klärung. Verklärung“ höchst aktuell und brisant. Wenn man von einem längeren Vorlauf ausgeht, dann war Ihre Motto-Idee geradezu visionär.

Evelyn Meining: Vielleicht kann man sagen, dass das Visionäre in der Geschichte steckt. Das mag auf das 18. Jahrhundert, die Epoche der Aufklärung, im Besonderen zutreffen. Sind nicht alle Themen von großer Brisanz und Aktualität eigentlich „alte“ Themen? Sie kommen oftmals nur im veränderten Gewand daher. Wie aktuell „Geschichte“ ist, haben wir zuletzt auch mit unserem Thema 2016 erlebt. Das hieß „Mozarts Europa“ und sollte europäische Werte im Hier und Jetzt befragen. Im selben Jahr hat das Haus Europa beängstigende Risse in der Statik bekommen. Während Sir John Eliot Gardiner im Kaisersaal der Residenz mit großen Werken von Haydn und Mozart einen weltoffenen Geist beschwor, hat Großbritannien im selben Moment seinen Austritt aus der EU erklärt. Dass diesem Thema wie auch dem diesjährigen eine solch immense Bedeutung zuwachsen würde, war natürlich nicht absehbar. Alle Themen festgelegt habe ich übrigens für die fünf Jahre meiner ersten Amtszeit, nachdem ich vom Würzburger Stadtrat als Intendantin für das Mozartfest gewählt wurde. Das war 2012.

RONDO: Steht für Sie Mozart exemplarisch für die Aufklärung?

Meining: Mozart ist in der Musik einer der bedeutendsten Vertreter dieser Epoche. Auf seinen vielen Reisen quer durch Europa hat er die geistige Dimension dieser Zeit in sich aufgesogen. Den unbedingten Willen zu einer neuen, vernünftigen Weltordnung geatmet. Nur so konnte er bahnbrechend Neues schaffen, das uns heute noch angeht. Nicht nur für mich ist er Inbegriff des aufgeklärten Künstlers. Sie sehen das vor allem in seinen Opernstoffen. Deshalb haben wir in unser Programm „Cosí fan tutte“ aufgenommen und seine „Zauberflöte“. Die beschäftigt sich facettenreich mit den Idealen der Aufklärung, mit Freiheit, Toleranz, Vernunft, Gerechtigkeit. Ich hoffe, dass Mozart seinen Spaß hätte, wenn er sehen könnte, dass wir die Schraube noch eine Runde weiter drehen und seine Oper als „Zauberflöte reloaded“ in einer neuen Version mit Urban Culture konfrontieren durch Breakdancer, Hiphopper und Rapper. Zeitlose Stoffe halten auch dieses Experiment aus.

RONDO: Das Mozartfest gibt sich konzeptionell stets stark und unterscheidet sich darin deutlich von vielen „Abspiel“-Festivals, die mehr oder weniger große Namen und Programme lediglich reihen. Welcher Impuls steckt dahinter?

Meining: Ich kann nur tun, wovon ich wirklich zutiefst überzeugt bin. Diese Chance habe ich in Würzburg gefunden. Die Stadt, das Publikum und die Künstler sind offen und begeisterungsfähig für ein anspruchsvolles Festival. Es erscheint mir wichtig, Festivalarbeit thematisch zu fokussieren. Wahrscheinlich ist es wichtiger denn je. Denn es zwingt uns in Zeiten von Orientierungslosigkeit und „Anything goes“ zur Konzentration, lenkt den Blick auf gemeinsame Fragestellungen. Erst dann wird Musik, wird ein Festival zum Erlebnisraum und ein Kunsterlebnis unverwechselbar. Mit der Wahl von Mozart als unserem Namenspatron haben wir uns verpflichtet zur Auseinandersetzung mit seiner Musik. Große Musik der Vergangenheit mit dem Heute zu konfrontieren, sie neu zu befragen, in ihrer Aktualität neu begreifbar und fühlbar zu machen, das ist unser Anspruch in Würzburg.

RONDO: Unter welchen Aspekten wählen Sie den „Artiste étoile“ aus?

Meining: Das Mozartfest wird seit 2014 geprägt von einem zentralen Künstler, der für eine Festivalausgabe aktiv am Programm mitarbeitet und ihm seinen Stempel aufdrückt. Mit dem ausgewählten Künstler und seinem Instrument bilden wir den jährlichen Fokus. Das waren Jörg Widmann, Renaud Capuçon, Kit Armstrong, Christiane Karg und in diesem Jahr kommt das Schumann Quartett. Wir geben ihm den Titel „Artiste étoile“. Ich finde die französische Bezeichnung besser als den englischen Artist in residence, das sind unsere Künstler natürlich auch. Aber sie sollen eben als étoile, als Stern, hineinstrahlen in das Mozartfest und es auch durchleuchten. Ein étoile ist nicht dasselbe wie ein Star. Er kann ein Star sein, muss aber nicht. Auf seine Strahlkraft kommt es an. Unser Interesse gilt jeweils den vielseitigen unter den Künstlern und denen, die eine Mozart-Basis haben. Es sind auch überwiegend jüngere Künstler, deren Neugierde und Experimentierfreude gerade im Kontext zu Mozart den Reiz ausmacht.

RONDO: Was ist Ihnen an Arvo Pärt, der im Fokus Ihres diesjährigen Komponistenporträts steht, wichtig – auch im Dialog mit und im Kontrast zu Mozart?

Meining: Die Entscheidung für Arvo Pärt hat vor allem mit dem Thema Aufklärung zu tun. Er steht beispielhaft für herausragende Künstler, die in ihrer Kunstausübung Opfer politischer Systeme wurden und dennoch mit großer innerer Kraft ihren Weg gegangen sind. Seine Heimat Estland feiert 2018 als 100. Jahr der Unabhängigkeit von der sowjetrussischen Vereinnahmung. Im MozartLabor werden wir über Fragen von Musik und politischer Macht diskutieren und auch die Verantwortung der Medien als öffentliches Gewissen versus Manipulationsinstrument ins Visier nehmen. Mozart und Pärt haben darüber hinaus eines gemeinsam: Sie sind die beiden meistgespielten Komponisten der Welt.

RONDO: Wie sind Sie selbst eigentlich zur Festival-Macherin geworden?

Meining: Es gab immer den starken Drang in mir, etwas aktiv gestalten zu wollen. Es schien mir schon als junge Sängerin zu wenig, nur über meine Stimmbänder definiert zu werden. Mein Gestaltungswille hat dann eine Heimat im Musikmanagement gefunden. Ich bin auch jemand, der sehr gerne mit und unter Menschen ist – eine unverzichtbare Voraussetzung für unseren Beruf. Und natürlich glaube ich als optimistischer Mensch fest daran, dass Musik die Welt besser machen kann.

RONDO: Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Mozart?

Meining: Leider sind wir uns nie begegnet. So muss unser Verhältnis platonisch bleiben.

RONDO: Welches Konzert liegt Ihnen besonders am Herzen?

Meining: Wenn Sie als Mutter mehrere Kinder haben, lieben sie alle. Jedes ist besonders und einmalig. So geht mir das mit den Konzerten. Jedes hat schon in der Entstehung, die manchmal mehr als zwei Jahre zurückreicht, seine eigene Geschichte. Besonders spannend sind neue Formate, wie in diesem Jahr die „Nachklänge im Echoraum“. Dort sollen zu später Stunde musikalische Gedanken eines ausgewählten Konzerts ihr klingendes Echo finden.

Mozartfest Würzburg

25.5. – 24.6.
www.mozartfest.de

Klare Sache

Im 18. Jahrhundert stand der aufgeklärte Mensch im Mittelpunkt einer sich rasant verändernden Welt. In 61 Konzerten und Veranstaltungen will man 2018 beim Mozartfest Würzburg den Geist der Aufklärung erlebbar machen, denn „Freiheit, Humanität und Toleranz prägen die Sprache der Kunst“. So blickt das Festivalprogramm ausgehend von Mozarts Lebens- und Schaffenszeit bis in die Gegenwart und fragt nach dem Gelingen und Misslingen von Aufklärung. Artiste étoile dieser Saison ist das Schumann Quartett, als „Komponist im Porträt“ steht Arvo Pärt im Zentrum. Unter den erwarteten Gästen finden sich Künstlerpersönlichkeiten wie die Hartmut Haenchen am Pult der Camerata Salzburg, Marc Minkowski mit Les Musiciens du Louvre, die Sopranistin Marlis Petersen und der Pianist Pierre-Laurent Aimard.

Regine Müller, 31.03.2018, RONDO Ausgabe 2 / 2018



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