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Pilgerstätten der Operette haftet heute nichts Unverschämtes mehr an, nichts Laszives oder gar sexuell Anzügliches. Man denkt nicht mehr an Fritzi Massary, die sich jauchzend jemanden für die Nacht aussucht. Man denkt an Törtchen, Tantchen und eine Bühnenästhetik, die seit den 50er Jahren unverändert geblieben ist. Immerhin gibt es aber einige Operettentempel und –theater von einst, in denen sich etwas vom rustikalen, kneifenden Rhythmus frivolerer Zeiten erhalten hat. Zum Beispiel das Stadttheater Baden bei Wien. Einer der kleinsten und schönsten Bauten des Jugendstil- Architektenbüros Helmer & Fellner, verströmt der goldgespickte Jubiläumsbau reichlich k.u.k.-Eleganz, etwas Heurigen-Flair und massive Kurort-Atmosphäre. Die „Dubarry“ von Karl Millöcker (Regie: Robert Herzl) zeigt das lustige Haus auf einsamer Höhe. Der Aufstieg von der Stick-Mamsel zur Geliebten Ludwig XV. zeigt eine Art Operetten-„Lulu“ – oder täte es, hätte Bearbeiter Theo Mackeben nicht nur die berühmtesten Titel („Ich schenk mein Herz“) 1931 neu hinzukomponiert, sondern auch noch die Exekution der abgewickelten Mätresse auf die Bühne gebracht. Aber wir sind schließlich in der Operette. Hier mit Julia Koci als fantastisch auftrumpfender Titel-Kurtisane. Und mit der Weisheit: „Ja, so ist sie, die Dubarry“. Jede Sünde wert.
Robert Fraunholzer, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 6 / 2012
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