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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Im Klang-Laboratorium für Markeneigenschaften (c) pixabay.com

Pasticcio

Emotionen vom Reißbrett

Weit mehr als weitläufig bekannt sein dürfte, übt das Audio-Branding, also die Kunst, für eine Marke oder einen Artikel ein passendes Klanggewand zu finden, heutzutage großen Einfluss auf unser Alltagsleben. Wer das bestreitet, erinnere sich nur einmal an den Siegeszug des Nokia-Klingeltons, der derart synonym für Handyklingeln ganz allgemein wurde, wie der Name eines speziellen Papiertaschentuchs für die Produktgruppe an sich steht. Oder an den Fünf-Ton-Jingle eines großen, penetrant-pinken Telekommunikationsriesen. Dass selbst Autobauer Klangdesigner beschäftigen, die am Geräusch zufallender Autotüren tüfteln, ist auch kein Geheimnis mehr. Warum? Anders als das blecherne „Peng“ beim Zuschmeißen der Tür eines billigen Studentenhobels vermittelt der warme, tiefe Klang mit der richtigen Mischung aus „satt“ und „einrasten“ direkt ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Und damit Werte, die den Verkauf der Automarke sinnlicher und weitaus besser anschieben können als wortreiche PR-Texte.
Nun müsste man auf der Suche nach dem richtigen Klangumfeld erst einmal wissen, welche Eigenschaften einer Musik mit welchen Assoziationen belegt sind. Ein Forschungsteam der TU Berlin hat dazu jetzt einen Algorithmus entwickelt, der die Musikauswahl erleichtert. 36 Merkmale zur Markenidentität, wie modern, innovativ, glücklich, vertrauenswürdig, liegen dem Programm zugrunde, das aber nicht auf Tags oder Metadaten zu den Songs zurückgreift, sondern ausschließlich die Audio-Informationen verarbeitet. Damit der Algorithmus seine Arbeit leisten kann, wurden nicht nur verschiedenste Forschungsergebnisse mit gesammeltem Expertenwissen aus dem Audiobranding-Bereich verknüpft, sondern in einer großangelegten Feldstudie über 10.000 Personen in Großbritannien, Spanien und Deutschland zur Aussage vorgespielter Musik befragt.
Darüber werden sich nun in erster Linie die Werbeagenturen freuen, die im Rückgriff auf das neue Programm sehr viel zuverlässigere Empfehlungen bekommen können, wenn sie eine neue Marke mit der passenden Musik verstärken wollen. Ob sich darüber hinaus weitere Nutzungsmöglichkeiten ergeben – etwa bessere Leistungen im Team-Meeting durch innovativ wirkende Musik auf Knopfdruck – bleibt abzuwarten. Für sanften Einfluss auf die Tagesform durch Klänge reichte es ja bisher zumindest, einfach das Radio anzustellen.

Carsten Hinrichs



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