home

N° 1354
20.04. - 01.05.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Startseite · Testgelände

Daniil Trifonov / Dario Acosta

Konzerte Deutschland 2018/19

Musikalische Wanderarbeiter

Wann treten die begehrtesten Konzertstars und Spitzenorchester auf, die man auf keinen Fall verpassen darf? Und vor allem wo? Regine Müller hat sich durch die Spielpläne gewühlt. Und verrät sowohl Pflichttermine als auch subjektive Tipps.

Wie soll man sich nur orientieren in dem riesigen Konzertangebot der zahllosen Spielstätten zwischen Aachen und Zwickau? Gar nicht so einfach! Und dabei bleibt die musikalische Grundversorgung schon außen vor, die durch städtische Klangkörper gewährleistet ist. Denn das wäre uferlos. Auch die Ereignisse zählen hier nicht, die in Städten wie München, Berlin, Leipzig oder Dresden durch die dort ansässigen Spitzenorchester garantiert sind. Wer nach Leipzig fährt, kann dort mit ziemlicher Sicherheit ein Konzert des Gewandhausorchesters erleben. Es sei denn, der Klangkörper ist auf Tour.
Einen guten Überblick über das mitteleuropäische Konzertleben verschafft der Blick auf den Spielplan eines der Konzerthäuser, die bei keiner Tour eines großen Solisten oder Orchesters fehlen dürfen, nämlich Köln, Dortmund oder Frankfurt. So reimen sich schnell Tourdaten zusammen, die von teils unglaublichen Ausdauerleistungen künden. Auch ein Blick auf die Webseiten der großen Dirigenten bringt Aufschluss, denn auf den Seiten der Top- Orchester sind die Tourneen manchmal gut versteckt. Wobei Christian Thielemann überhaupt keine eigene Webseite unterhält (oder sie ist schlicht nicht online auffindbar), was ja fast schon wieder gut ist. Hat er einfach nicht nötig.

Tastenstars im Hamsterrad

Unter den Tasten-Stars ruhelos unterwegs ist der schon in der vergangenen Saison omnipräsente Daniil Trifonov. Der russische Pianist startet praktisch ohne Pause von diversen Festspielen in die neue Saison mit einem Schwerpunkt in Berlin (30.9., 6.1., 21.2., 20.-23.6.) und ist in München (12.2.) und Hamburg (14.2.) zu erleben. Ähnlich belastbar scheint Yuja Wang: Die chinesische Power- Pianistin mit Hang zum extravaganten Styling beginnt die Saison bei den Nachbarn in Winterthur (3.11.), dann zieht sie weiter nach Dortmund (5.11.), München (Gasteig, 14.11.) und Dresden (Semperoper 12.,13.,14.1.). Direkt im Anschluss startet sie eine Tour mit ihrem Dauer-Duopartner, dem Geiger Leonidas Kavakos in München (Prinzregententheater, 17.1.), die weiter führt nach Dortmund (19.1.) und Köln (21.1.), bevor sie mit dem City of Birmingham Orchestra unter der Leitung der furiosen Mirga Gražinytė-Tyla zu einem gigantischen Rundumschlag aufbricht, der in Frankfurt (Alte Oper) beginnt und von da aus nach Dortmund (15.5.), Stuttgart (16.5.), Köln (19.5.), Zürich (Maag, 26.5.), Genf (27.5.) und München (Gasteig, 28.5.) geht. Weiter geht’s dann gleich mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg unter Gustavo Dudamel in Hannover (5.6.), Düsseldorf, (6.6.), Hamburg (7.6.) und wieder Dortmund (11.6.).
Nicht wesentlich luftiger ist der Terminplan eines weiteren Klavier-Titanen: Grigory Sokolov läutet im Leipziger Gewandhaus die Saison ein (4.11.), geht dann nach Dortmund (10.11.), Frankfurt (Alte Oper, 12.11.), Bern (20.11.), Luzern (22.11.), Genf (14.12.), Basel (16.12.) und gönnt sich dann eine Pause. Weiter geht es am 18.3. in Hamburg (Laeiszhalle), Braunschweig (20.3.), Hannover (22.3.), Mannheim (24.3.), Köln (26.3.), Stuttgart (5.4.), Freiburg (7.4.), Berlin (10.4.), Zürich (15.4.), München (26.5.) und Dresden (4.6.). Voilà.
Die Tenor-Star-Anbeter und -Anbeterinnen werden in der kommenden Saison eher kurz gehalten: Jonas Kaufmann, dessen Performance bekanntlich nicht frei von Schwankungen ist, taucht mit einem Liederabend in Wiesbaden (1.10.) auf; ab dem 23.11. ist er in neun Vorstellungen bis Juli an der Staatsoper München in der Mount-Everest-Partie des Otello zu erleben und im Januar dortselbst in vier Vorstellungen von Beethovens „Fidelio“. Eher mit Vorsicht zu genießen ist Kaufmanns Januar-Tour mit Mahlers „Lied von der Erde“, wo er sich sowohl den heldischen Tenor- als auch den Bariton-Part zumutet. Weitere Konzertauftritte sind in Berlin (7.2., Philharmonie), Frankfurt (10.2., Alte Oper) und München (14.2., Gasteig).
Noch rarer macht sich leider Juan Diego Flórez, der derzeit in absoluter Spitzenform ist: Am 31.8. gastiert er gemeinsam mit Olga Peretyatko in Gstaad, ferner am 30.4. in Wolfsburg. Mehr gibt’s nicht. Für Flórez- Fans bleibt Wien der Pilgerort.

Symphonie de force

Das Leipziger Gewandhausorchester ist durch die Bindung seines Chefs Andris Nelsons als Schwerpunktkünstler an das Dortmunder Konzerthaus mit dem romantischen Repertoire dort sehr präsent: Sie spielen Mahler und Tschaikowski am 19. und 20.10., geben am 1. Januar den Neujahrs-Klassiker, Beethovens Neunte, und am 30.6. ein Operngala-Konzert. Im Rahmen einer Europa-Tour ist das Gewandhaus ferner am 7.10. in Frankfurt (Alte Oper), 18. in Mannheim (Rosengarten). 19.1. in der Elphi mit Schumann und Mendelssohn und am 26./27.1. in München (Gasteig).
Die Wiener Philharmoniker sind, nachdem sie in Salzburg ein Riesenprogramm bestritten haben, bereits im September wieder fleißig unterwegs, ihren bei allen Launen klanglich immer noch kaum schlagbaren Ruhm zu mehren: Am 27.9. spielen sie in Baden- Baden unter Herbert Blomstedt Berwald und Dvořák, am 29.10. in Berlin (Konzerthaus) unter Rainer Honeck ein Programm mit John Cage, Johannes Maria Staud und Arnold Schönberg, am 18.12 in Köln und am 19.12. in München unter Riccardo Muti Mozart und Bruckner, am 21.12. in Berlin (Konzerthaus) unter dem immer grandioser werdenden Franz Welser-Möst. Im neuen Jahr greift Altmeister Michael Tilson Thomas am 19.1. in Frankfurt (Alte Oper) zum Taktstock und dirigiert Werke von Ives, Brahms und Beethoven, in Hamburg (8.4., Elbphilharmonie) und Hannover (9.4., Congresszentrum) gibt Andris Nelsons Beethoven, kurz darauf spielen sie wieder auf in Berlin (12.4., Staatsoper) unter Daniel Barenboim (Prokofjew, Mahler), weiter geht’s nach Dresden (23.5., Kulturpalast) und Köln (24.5., Philharmonie) mit Prokofjew und Tschaikowski unter Tugan Sokhiev. Und zurück in Hamburg (Elphi am 5.6.) steht Mariss Jansons am Pult mit Schumann und Berlioz. Was für ein Pensum!
An Teodor Currentzis scheiden sich die Geister: Die einen preisen ihn als radikales Genie, die anderen lehnen sowohl seine eigenwilligen Deutungen als auch sein zwischen Dandy und Dämon schillerndes Auftreten als Scharlatanerie ab. Zu seinen Eigenheiten zählt sein fanatischer Proben-Eifer, der ihn für die üblichen Produktionsroutinen in Opernhäusern untauglich macht. Daher taucht Currentzis mit dem Opern- Kernrepertoire zunehmend in Konzerthallen auf. Das Konzerthaus Dortmund widmet ihm erneut eine Porträt-Reihe und ist am 18.10. Schauplatz einer konzertanten „La traviata“ mit seinem Ensemble MusicAeterna. Mit dem SWR-Sinfonieorchester, dessen Chef er ist (und darum in Stuttgart und Umgebung mit diesem Klangkörper nun regelmäßig zu erleben!) kommt er mit Schnittke und Tschaikowski am 18.12., sowie mit dem Mahler Chamber Orchestra am 2.6. mit Brahms’ Requiem ins Ruhrgebiet. Die „Traviata“ gibt er auch in Hamburg (Elbphilharmonie, 21.10) und Köln (5.10.), wo er sogar noch eine „Aida“ dranhängt (7.10., Philharmonie). Köln (30.3./1.4.) und Hamburg (2.4.) sind auch Schauplätze seiner unter Garantie rasanten Interpretation von Verdis „Requiem“ (alles mit MusicAeterna). Desweiteren kommt er mit Philippe Hersants „Tristia“ und MusicAeterna nach Berlin (Philharmonie, 25.10) und Hamburg (26.10., Elbphilharmonie), mit Mahlers Vierter nach München (Gasteig, 2.12.) und Berlin (Philharmonie, 5.12.) und mit Tschaikowskis Fünfter nach Dortmund (18.12.) und Hamburg (19.12., Elbphilharmonie). Uff!

Und abseits der Sinfonik? Eines der interessantesten, temperamentvollsten und feinsinnigsten Originalklang-Ensembles ist die immer noch nicht sonderlich bekannte Accademia Bizantina des genialischen Ottavio Dantone. Diese famose Truppe ist zu erleben mit Delphine Galou (Alt) und Valer Sabadus (Countertenor); man gibt am 8.11. in der Kölner Philharmonie und am 9.11. in der Hamburger Laeizshalle Johann Adolf Hasses „Marc‘ Antonio e Cleopatra“.
Wer gerne einmal jenseits der Trampelpfade für das Große und Berühmte unterwegs ist, dem bietet als Geheimtipp das Konzerthaus in Blaibach in der Oberpfalz nahe der tschechischen Grenze Konzerterlebnisse der besonderen Art (siehe RONDO 4/18, S. 21).

Regine Müller, 29.09.2018, RONDO Ausgabe 4 / 2018



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Pasticcio

Genosse Wagner!

Auf keiner Bühne fühlt sich die Bundespolitik anscheinend so pudelwohl wie in Bayreuth. Doch […]
zum Artikel

Festival

Musiktage Mondsee

Hommage à Debussy

In der Salzkammergut-Idylle findet im Sommer einmal mehr das hochkarätig besetzte […]
zum Artikel

Pasticcio

Bienvenue!

Meldungen und Meinungen der Musikwelt

Aktuell gibt es in Deutschland 129 Berufsorchester. Doch vielleicht könnte sich das bald ändern. […]
zum Artikel


Abo

Top