»Dass es Bruckner gegeben hat, ist für mich das größte Geschenk Gottes«, soll Sergiu Celibidache einmal gesagt haben. Und wer Celis Münchner Bruckner kennt, der weiß, dass Bruckners Musik wirklich eine zentrale Rolle in Celis Leben gespielt hat: Dieser Bruckner ist das Ergebnis größtmöglicher Konzentration auf die inneren Prozesse der Musik. Extrem langsame Tempi bringen die Zeit quasi zum Stillstand, noch gewaltiger als in anderen Interpretationen entladen sich die über große Strecken aufgestauten Spannungen.
Allerdings hat Celi auch gesagt: »Weil der originäre musikalische Raum nicht reproduzierbar ist, tötet die Schallplatte das Lebendige an der Musik, das Einmalige, das nie Wiederkehrende. « Dieses Credo des Meisters ist nach seinem Tod im Jahre 1996 überraschend schnell in Vergessenheit geraten: Plötzlich tauchten zahllose Mitschnitte auf, und sie wurden, obwohl dies zu Lebzeiten Celibidaches undenkbar gewesen wäre, in Windeseile veröffentlicht. Nun bringt EMI das Münchner Vermächtnis des Rumänen in vier Boxen erneut auf den Markt; darunter sind auch die Bruckner-Sinfonien. Soll man sich darüber freuen? Letztendlich ja: Selbst wenn die Konserve nur einen Schatten der originalen Konzertereignisse festzuhalten und wiederzugeben vermag – wir sind dennoch froh, dass sie dokumentiert wurden.
Matteis, Mannelli, Viviani, Uccellini? Sehr selten zu hörende Namen. Bononcini, Cazzati, Torelli? Da dämmert eher schon was. All diese Namen gehören italienischen Komponisten des 17. und des frühen 18. Jahrhunderts; sie alle haben u. a. Musik für die Violine, jenes in der Barockzeit so glanzvoll zur Geltung gelangte Instrument, komponiert – und sie alle haben an der Weiterentwicklung der barocken Stilistik gearbeitet, haben insbesondere vermittelnd gewirkt in jener bis heute noch ein wenig dunklen Übergangszeit zwischen Früh- und Hochbarock. Der Geiger Enrico Gatti und sein »Ensemble Aurora« lichteten dieses Dunkel Anfang der 90er Jahre maßgeblich mit zwei CDs, die Musik all der oben genannten Meister (und einiger mehr) enthalten. Gatti erweckt mit seiner historischen Violine schier endlose Kantilenen voller – geradezu mit Händen greifbarer – Affekte sehr überzeugend zum Leben: Die Musik jener Zeit spricht zu uns, weil Enrico Gatti ihre Sprache differenziert erkundet und erforscht hat und sie uns durch seine kompetente Darbietung mit hoher Intensität weitervermitteln kann. Eine besonders wertvolle Wiederveröffentlichung!
Am Anfang seiner Laufbahn scheint Maurizio Pollini kein ganz einfacher Künstler gewesen zu sein – zum Schaden seines ersten Labels EMI: Zwar ging 1960 die berühmte Aufnahme von Chopins erstem Klavierkonzert unter Paul Kletzki problemfrei über die Bühne; sie zählt bis heuten zu den schönsten Einspielungen des Werks. Danach jedoch gab es nur noch Ärger mit dem damals recht eigenbrötlerischen jungen Mann: Eine fertig geschnittene Einspielung der Chopin-Etüden opp. 10 und 25 zum Beispiel gab der 18-Jährige nicht zur Veröffentlichung frei – bedauerlicherweise, wie man sagen muss, denn sie geriet doch deutlich anders als die berühmte, rund zehn Jahre später verwirklichte Einspielung bei der »Deutschen Grammophon«, die Pollini gewinnen konnte, nachdem EMI entnervt aufgegeben hatte. Nun liegen endlich beide Aufnahmen zum Vergleich vor, denn nach Ablauf der Rechte an der EMI-Version hat das britische Label »Testament « zugegriffen und bringt diese kleine Sensation auf den Markt; so kann der Hörer zukünftig selbst entscheiden, welcher Version er den Vorzug gibt.
Michael Wersin, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 6 / 2011
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