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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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(c) Jean-Baptiste Millot

Nikolai Lugansky

Im Klartext

Der russische Pianist spielt eine interessante Debussy- Auswahl – ohne pedalige Weichzeichner und Impressionismus- Klischees.

RONDO: Sie haben besonders poetische Stücke ausgewählt, war Ihnen das wichtig?

Nikolai Lugansky: Debussy ist eher Klangpoet als Virtuose. Aber „Poissons d’or“ aus den „Images“ ist schon auch sehr virtuos. Es sind einfach Stücke, die ich liebe.

RONDO: Sie haben einmal gesagt, dass Sie für jeden Komponisten eine andere Spieltechnik entwickeln. Wie ist das bei Debussy?

Lugansky: Sagen wir, ich versuche das. Bei Rachmaninow muss man das Gewicht des ganzen Körpers benutzen. Selbst das Piano bei Rachmaninow ist ziemlich schwer und rund. Ich habe lange Arme, das ist günstig, ich spiele Debussy fast nur aus den Fingern und dem Handgelenk. Bei Rachmaninow gilt, je mehr Körper Sie benutzen, desto besser klingt es, bei Debussy ist es genau das Gegenteil.

RONDO: Ihre Aufnahme klingt wunderbar klar und transparent. Man hört Debussy oft mit viel Pedal gespielt, Sie dagegen sind sehr sparsam damit, warum?

Lugansky: Ich denke, bei Debussy ist die Klarheit sehr, sehr wichtig, und man muss wirklich alles spielen. Für die französische Kultur ist ja die Klarheit, die Clarté, sehr typisch. Und für mich als Russe ist Debussy der französischste Komponist von allen. Manchmal braucht man auch das ganze Pedal, aber es muss immer trennscharf bleiben. Der Hörer muss sich alle Linien, sozusagen alle Etagen der Musik vorstellen können.

RONDO: Ihr Debussy-Spiel erinnert mich an die legendären Interpretationen von Arturo Benedetti Michelangeli. Ist Ihnen das bewusst?

Lugansky: Sie werden es nicht glauben: Das ist einer meiner ersten und tiefsten Eindrücke gewesen. Ich stamme nicht aus einer Musikerfamilie, meine Eltern sind Wissenschaftler, doch es gab zuhause einige Langspielplatten. Und darunter war Michelangelis Einspielung von „Children’s Corner“ und „Images“. Ich muss es jetzt natürlich ein bisschen vergessen, wenn ich selbst Debussy spiele. Aber das erste Stück „Reflets dans l’eau“ wird für mich immer unmöglich sein zu spielen. Das ist auch einer der Gründe, warum ich das erste Heft der „Images“ nicht spiele.

RONDO: Welche anderen pianistischen Vorbilder haben Sie?

Lugansky: Es gibt Aufnahmen, aber auch unvergessliche Klavierabende, die ich immer mit mir trage. Rachmaninow ist für mich mehr als nur ein Vorbild, denn er war auch ein genialer Komponist, eine Persönlichkeit, die uns Russen sehr viel bedeutet. Er hat anonym vielen jungen Musikern eine Ausbildung finanziert, und heute kommt langsam ans Licht, von wem das Geld stammte, nämlich von Rachmaninow! Was die Pianisten angeht: Michelangeli und Swjatoslav Richter, Emil Gilels. Richter war besonders unvergesslich, hypnotisch! Und Emil Gilels mit seinem unglaublichen Ton, dieser goldene Ton! Und unter den heute lebenden Pianisten: Radu Lupu, Nelson Freire und aus meiner Generation Arcadi Volodos.

RONDO: Was sind Ihre nächsten Pläne?

Lugansky: Ich habe viele Ideen, es kann sein, dass ich mich mit César Franck beschäftige. Es gibt von ihm nicht so viel für Klavier, aber jetzt habe ich gerade Noten von seinen Orgelstücken dabei, vielleicht mache ich Bearbeitungen. Ich möchte auch noch eine CD mit Beethoven machen. Und Albéniz! Aber wie Michelangeli für Debussy haben wir für Albéniz Alicia de Larrocha, das ist auch unübertroffen!

Neu erschienen:

Claude Debussy

Klavierwerke (Suite bergamasque, L’Isle joyeuse; 2 Arabesques u.a.)

Nikolai Lugansky

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Regine Müller, 20.10.2018, RONDO Ausgabe 5 / 2018



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