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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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(c) Francois Sechet

Amandine Beyer

Auf dem Spielbein

Spannende Grenzgängerin: Von der Violine aus brilliert die Ensembleleiterin in höfischen Konzerten – oder zu modernem Tanz.

Sie wurde unter der wärmenden Sonne der Provence geboren, im barock anmutenden Aix. So wie übrigens auch der Komponist André Campra oder der ihr geistig näher stehende Cembalist und Orchesterleiter Christophe Rousset. Und ähnlich wie dieser fährt die 44-jährige Amandine Beyer zweigleisig. Denn sie liebt sowohl ihre Geige, zu der sie über den Umweg Blockflöte kam. 1994 beendete sie ihre Studien am Pariser Conservatoire – um ein Jahr später bei Chiara Banchini an der Schola Cantorum Basiliensis auch noch die Barockvioline zu erlernen. Ganz zielstrebig, bis zum vier Jahre später erteilten Solistendiplom. In ihrer Basler Zeit studierte sie zudem Musikwissenschaften, diplomierte über Karlheinz Stockhausen.
„Das war ein Ausflug“, erinnert sich Amandine Beyer. Doch die Alte Musik hatte sie fest im Griff. Seit 1997 spielte sie regelmäßig in Banchinis Ensemble 415, später in den verschiedenen Formationen Jordi Savalls und als Konzertmeisterin in Le Concert Français unter Pierre Hantaï, als Solistin mit dem Ensemble Café Zimmermann oder auch mal mit Giuliano Carmignola die Doppelkonzerte von Vivaldi. Nach Banchinis Vorbild begründete sie mehrere Kammer- Ensembles. Les Cornets Noirs oder L’Assemblée des honestes curieux sind da zu nennen. 1998 gewann sie den Premio Bonporti in Rovereto, 2001 siegte sie im Antonio-Vivaldi-Wettbewerb in Turin. Um dann 2006 erstmals mit ihrem eigenen Kammerorchester Gli Incogniti in Erscheinung zu treten.
„Die Unbekannten“ – benannt nach einer literarischen Akademie des Vaters von Barbara Strozzi in Venedig, wo man hinter Masken freigeistige Schriften las, das ist Programm. So stöbert Amandine Beyer neugierig nach Unentdecktem, während ihr eigener Name längst nicht so bekannt ist, wie er sein sollte: „Ich war stets mit Musizieren, weniger mit PR beschäftigt“, lächelt sie Nachfragen weg, um sich gleich dem nächsten Projekt zu widmen.
Gegenwärtig ist das ihr bereits sechstes Album für harmonia mundi. Darauf widmet sie sich den von Joseph Haydn für die fürstliche Kapelle der Esterházy komponierten Violinund (von Marco Ceccato gespielten) Cellokonzerten: „Wir werden größer, obwohl viele meiner Musiker seit Anfang an dabei sind. Doch wir wollen jetzt vom Barock mit den hier gewonnenen Erkenntnissen in die Klassik vordringen. Unser Label ist uns dabei ein verlässlicher Partner – und, ja, gegenwärtig so etwas wie eine Heimat.“
Abseits davon hat sich Amandine Beyer durch ihre Freundschaft mit der prominenten Choreografin Anne Teresa de Keersmaeker noch eine andere Welt eröffnet: die des Tanzes. 2013 kam in Brüssel „Partita 2“ heraus, das ist natürlich Johann Sebastian Bachs BWV 1004, d-Moll, mit dem weltenthobenen Mysterium der abschließenden Chaconne. Amandine Beyer spielte dabei sogar zeitweise im Dunkeln: „Wenn ich das Stück heute interpretiere, habe ich immer noch die Bilder von damals im Kopf.“ Gegenwärtig tourt sie an der Spitze des B’Rock Orchestra mit de Keersmaekers Rosas und den Brandenburgischen Konzerten durch die Welt. Da aber spielt sie rauer, gehärteter: „Wir müssen dem Tanz etwas entgegensetzen, uns behaupten. Umso schöner, wenn wir dann wieder das Konzertpodium für uns haben.“

Neu erschienen:

Joseph Haydn

„Concerti per Esterházy“ – Violinkonzerte C-Dur & G-Dur, Cellokonzert C-Dur

Amandine Beyer, Marco Ceccato, Gli Incogniti

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Matthias Siehler, 10.11.2018, RONDO Ausgabe 5 / 2018



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