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Leipzig ist nicht arm an Musikern, aber mit Martin Stadtfeld fällt man trotzdem auf. Mit einem Foto im Hof des Bach-Museums ist es jedenfalls nicht getan, denn schon hat der Geschäftsführer des Bacharchivs den prominenten Gast gesichtet und ihn zu einer Privatführung durch die neu gestaltete Ausstellung samt Eintrag in das goldene Buch des Hauses eingeladen. Dabei erfahren wir auch, wo genau sich das Café Zimmermann befand, in dem Bach die Klavierkonzerte uraufführte, die Stadtfeld in seiner neuen CD aufgenommen hat. Der an der historischen Stelle errichtete Neubau erweist sich allerdings als ein Gebäude von ernüchternder Hässlichkeit, so dass wir rasch die Flucht zum nahe gelegenen Coffe Baum antreten – dem einzigen noch existierenden Leipziger Kaffeehaus der Bachzeit.
Dort sind wir schnell in ein lebhaftes Gespräch über Bachs mystische Seite und die Geborgenheit des barocken Menschen in der Vorstellung einer kosmischen Harmonie eingetaucht – bis die Kellnerin den Kaffee serviert und auf ihre Weise an die barocke Weltzugewandtheit erinnert. Man neige als Pianist schon dazu, um sich selbst zu kreisen, bemerkt Stadtfeld ganz à propos. Wobei er es allerdings auch genieße, beim Auftritt die Brille in der Garderobe zu lassen, so dass ein eigener Raum um den Flügel entstehe. Dennoch dürfe dieser Raum nicht hermetisch werden – weshalb er sogar eine Gefahr darin sehen würde, nur mit dem eigenen Instrument zu reisen: Als Konzertpianist sei man in der Regel nicht dazu gezwungen, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten – »und wenn ich dann noch ständig um das eigene Instrument kreise, dann werde ich immer nur das, was ich bin und mein Blickwinkel wird sich immer mehr fokussieren.«
Die Auseinandersetzung mit den Eigenheiten und Klangfarben unterschiedlicher Instrumente – historischen, aber auch modernen – beschäftige ihn deshalb zunehmend. Daher hat er auch den Vormittag in Leipzig bei der Klavierfirma Blüthner verbracht.
Bei der Interpretation der Klavierkonzerte, deren zweite Folge soeben erschienen ist, ließ sich Stadtfeld aber von Bachs Soloinstrument, dem Cembalo inspirieren – und von der Herausforderung, dessen »funkelnden, majestätischen und brillanten« Ton auf dem modernen Flügel zu verbinden mit dem Ideal eines schlanken, kanalisierten, intensiven und ausdrucksvollen Klangs, der »durch die Dinge geht«. Hinzu komme die ungeheure manuelle Spiellust, die auch zu Bach gehöre: »Die muss man einfach in den Fingerspitzen spüren, bevor man sich ans Klavier setzt.«
Für eine Spiellust jenseits dieser Art von Virtuosität stehen auf der CD dagegen die Bach zugeschriebenen acht kleinen Präludien und Fugen für Orgel, die Stadtfeld für Klavier transkribiert hat. Mit einem alten Schulfreund und Amateurpianisten, den er über die gemeinsame Liebe zur Musik kennenlernte, habe er die Stücke schon vor Jahren zusammen gespielt: »So bei einem Glas Wein – ich habe oben den Manualpart gespielt und er den Bass dazu und wir haben uns regelrecht an diesen Stücken delektiert und fast in einen Rausch gespielt.« Denn bei Bach könnten auch kurze Stücke einfach wie »Blicke in den Kosmos« sein.
Sony
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