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13. - 24.04.2024

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am 20.04.2024



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(c) Wikimedia.com/Pilzland (CC BY-SA 3.0)

Pasticcio

Schaut nach Kaohsiung!

Die Schwaben wissen, wie man mit Geld haushaltet. So sagt es zumindest der Volksmund. Im wahren Leben kann es aber auch in Stuttgart schon mal anders kommen als zunächst angedacht. Als man vor einigen Jahren mitteilte, dass das traditionsreiche Opernhaus unbedingt saniert werden müsste, haute man einfach mal die geschätzten Kosten von rund 300 bis 320 Millionen raus. Mittlerweile weiß man aber: Unter 400 Millionen Euro wird das gute Stück nicht auf Vordermann zu bringen sein. Immerhin hat man in Fritz Kuhn einen auf das Wohl des Steuerzahlers bedachten OB. Im Rahmen der Suche nach einer Ausweichspielstätte hat er nämlich die Handbremse gezogen und aus Kostengründen das ursprünglich ins Auge gefasste alte Paketpostamt vom Tisch gewischt. 116 Millionen Umbaukosten, das waren Kuhn zuviel. Stattdessen hat er jetzt eine preiswertere Lösung in drei Varianten vorgeschlagen. Zwischen 89 und 104 Millionen könnten die unterschiedlichen Umbaukosten der bereits jetzt für kulturelle Zwecke genutzten Wagenhallen liegen. Liest sich auf den ersten Blick vernünftig. So würde man im Vergleich zur Paketpostamt-Version in der Spitze 12 Millionen Euro sparen. Aber: Glaubt wirklich noch irgendjemand daran, dass die ersten offiziellen Zahlen auch die endgültigen sein werden? Gegenbeispiele gibt es schließlich mittlerweile zuhauf. In Köln gehen die Sanierungskosten von Oper und Schauspiel stramm auf die 600 Millionen Euro zu. Und für (vorerst) knapp 500 Millionen Euro soll der Münchner Gasteig upgedatet werden. Alles stolze Summen, um aus Alt Neu zu machen.
Wie man aber für schlappe 300 Millionen Euro gleich das weltweit größte Kulturzentrum mit integriertem Konzertsaal und Opernhaus nicht nur bauen kann, sondern dabei auch noch in einem architektonisch zeitgemäßen Stil, hat man jetzt im fernen Taiwan unter Beweis gestellt. In der prosperierenden südtaiwanesischen Hafenstadt Kaohsiung wurde gerade erst das National Kaohsiung Center for the Arts mit großem Tamtam eröffnet. Auf eine Gesamtfläche von rund 20 Fußballfeldern kommt dieser Kulturkomplex, für den ausnahmsweise mal nicht das mittlerweile scheinbar für jede Hundehütte gebuchte Architekturbüro Herzog & de Meuron verantwortlich zeichnete, sondern die Niederländerin Francine Houben. Inspirieren ließ sie sich auch von den für diese Region typischen Banyan-Bäumen – wobei die geschwungene Gesamtform eher an einen überdimensionalen Meeresbodenbewohner erinnert. Neben dem Opernhaus mit seinen 2230 Plätzen, einem Konzertsaal (knapp 2000 Sitze), einem Kammermusiksaal (434 Plätze) sowie einem Theater für 1200 Zuschauer gibt es zudem noch eine große Open-Air-Bühne. Und unter der künstlerischen Gesamtleitung von Chien Wen-Ping, der seit 1996 als Kapellmeister an der Deutschen Oper / Rhein ist, will man hier eine neue Kulturmetropole auch über Gastspiele bedeutendster Musiker und Orchester entstehen lassen. So gastieren demnächst die Berliner Philharmoniker und das Symphonieorchester des BR. Und gerade erst hat Iveta Apkalna die Orgel aus der Bonner Klais-Werkstatt bespielt, die mit ihren 9000 Pfeifen zugleich die größte in ganz Asien ist. All das bekommt man für 300 Millionen Euro – wobei man ehrlicherweise zugeben muss, dass wohl allein die Stundenlöhne in Taiwan wohl etwas niedriger liegen dürften als in Stuttgart, Köln oder München.

Guido Fischer



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