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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Hochleistungs-Ort: Im Museo del Violino wurden Geigenklänge konserviert (c) Cristian Chiodelli/Museo del Violino

Pasticcio

Achtung, Aufnahme!

Gerade ging wieder eine Hiobsbotschaft durch die Wirtschaftsnachrichten. Italien, von der Tageszeitung „Die Welt“ zu „Europas Wachstumszwerg“ gekürt, kommt beim Schuldenabbau, aber auch beim Wirtschaftswachstum nicht voran. Das heißt: letzter Platz in der Euro-Zone. Den gewohnt selbstbewussten Italiener haut das aber nicht um. Schließlich belegt man dafür ja und von jeher in Kunst und Kultur einen der absoluten Spitzenplätze. Und wenn selbst das gute alte Pizzahandwerk in die von der UNESCO aufgestellte Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wird, kann es nicht so schlecht um Italien stehen. Auf nämlicher Liste befindet sich aber auch seit 2012 ein „Himmel voller Geigen“. Der hängt seit Jahrhunderten in Cremona und steht für eine einzigartige Violinbaukunst, gebündelt in vor allem drei Namen: Antonio Stradivari, Gerolamo Amati und Guarneri del Gesù. Im örtlichen Violinmuseum kann man von diesem illustren, abermillionenschweren Trio natürlich die allerfeinsten und wertvollsten Instrumente bestaunen. Wie etwa von Stradivari seine „Vesuv“-Geige von 1727 sowie das „Stauffer“-Cello von 1700, Guarneri del Gesùs „Prinz Doria“-Geige (1734) sowie Amatis „Stauffer“-Bratsche von 1614.
Jedem Streicher würde ein Lebenstraum in Erfüllung gehen, wenn er einmal auf einem dieser vier Instrumente spielen dürfte. Vier handverlesene Virtuosen hatten jetztgenau dieses Glück und die Ehre – und zwar geschlagene fünf Wochen lang! Sechs Tage in der Woche, von morgens bis abends. Die vier Musiker mussten aber nicht etwa nonstop für ein spezielles Konzert im Giovanni Arvedi Auditorium des Museums üben. Vielmehr war man Teil eines aufwendigen Aufnahme-Projekts, das unter dem Titel „Banca del Suono“ (Bank der Klänge) ebenfalls von der UNESCO ins Leben gerufen wurde. Vor und unter einem Meer von Mikrophonen entlockten die Musiker ihren Instrumenten jeden noch so denkbaren Ton, um ihren einzigartigen Klang nicht allein für die Ewigkeit zu konservieren. Eine dafür gebuchte Firma aus Hamburg setzt die rund 100.000 Einzeltöne dank einer speziellen Software wieder zusammen, um so ab dem Jahr 2020 und laut Eigenauskunft die Möglichkeit zu bieten, „die historischen Cremonesischen Streichinstrumente in moderne Programmumgebungen für moderne Musiker zu übertragen.“
Dieser aufwendige Aufnahmemarathon, der gerade, am 9. Februar, abgeschlossen werden konnte, erfüllte aber nicht alle Cremoneser mit Stolz. Denn während der Aufnahmesessions durften draußen, rund um den Konzertsaal, Flaneure, Skateboard-Fahrer oder Lieferanten keinen Mucks von sich geben. Schließlich waren die Mikros so ultrafein einjustiert, dass sie jedes winzige Außengeräusch aufgenommen hätten. Dass sich die Bewohner Cremonas an die auch vom Bürgermeister angeordnete strikte Ruhe hielten, garantierten fleißige Verkehrspolizisten. Nun ist alles im Kasten der „Banca del Suono“ – und der Italiener darf wieder ungestört Italiener sein.

Guido Fischer



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