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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Geharnischtes aus Salzburg (c) OFS/Matthias Creutziger

Pasticcio

Alphatiere unter sich

Sonne – Meer – Sylt. Christian Thielemann hatte sich sicherlich auch nach den Bayreuther Strapazen auf einen störungsfreien, erholsamen Kurzurlaub auf der Promi-Insel gefreut. Doch daraus wurde jetzt nichts. Denn laut FAZ soll Thielemann dort von einer Personalentscheidung informiert worden sein, die man in Salzburg nur wenig später in einer Pressekonferenz vermeldete: ab dem Jahr 2023 werden die Salzburger Osterfestspiele ohne die Sächsische Staatskapelle unter der Leitung ihres Chefs Thielemann auskommen. Ab dann wird der zukünftige Festspiel-Intendant Nikolaus Bachler absolute freie Hand und Bahn haben und muss sich nicht mehr mit dem selbstbewussten Stardirigenten herumschlagen.
Mit der Entscheidung, sich von Thielemann und der Staatskapelle aus Dresden zu trennen, ist nun ein Machtkampf zu Ende gegangen, der sich bereits Ende 2018 angekündigt hatte. Da nämlich wurde mit großem PR-Brimborium verkündet, dass mit Bachler der ehemalige Chef der Bayerischen Staatsoper München dem bisherigen Osterfestspiel-Intendanten Peter Ruzicka folgen wird, als „künstlerisch Gesamtverantwortlicher“. Versichernd wurde verlautbart, dass die quasi als Residence-Orchester fungierende Sächsische Staatskapelle Dresden und Christian Thielemann „weiterhin die künstlerische Basis der Osterfestspiele Salzburg“ bilden. Doch da hatte man die Rechnung eben ohne Thielemann gemacht. „Es liegt in der Natur der Sache, dass nur ich befugt bin, die Rahmenplanung für die Osterfestspiele zu erstellen“, schrieb er ziemlich erbost an den Aufsichtsrat der Festspiele. Daher würde auch „kein Raum für eine ‚künstlerische Gesamtverantwortung‘ einer anderen Person“ bestehen.
2013 wurden Thielemann und seine Dresdner Musikanten zum neuen Zugpferd der einst von Herbert von Karajan ins Leben gerufenen Osterfestspiele. Und anscheinend war das Publikum mit ihrer Arbeit derart zufrieden, dass man gerne Hunderte Euro für ein Ticket zu bezahlen bereit war und damit das dem sich frei finanzierenden Festival eine ökonomisch zufriedenstellende Zukunft garantierte. In dieses Horn stieß jetzt auch der derzeitige Geschäftsführende Intendant Peter Ruzicka in seiner Stellungnahme und stellte darüber hinaus fest, „dass es bedauerlich ist, dass ein erfolgreiches Festivalmodell in dieser Art und Weise beendet wird. Es ist zudem durchaus befremdlich, wie man mit einem der bedeutendsten Dirigenten unserer Zeit und einem Spitzenorchester umgeht, die 2013 noch – zurecht – als ‚Retter der Osterfestspiele‘ gefeiert wurden.“
Doch das alles ist nun Schnee von gestern. Jetzt haben sich die Festivalverantwortlichen in dem von Thielemann kritisierten Kompetenzwirrwarr endgültig gegen ihn und für Bachler entschieden. Bis zum Trennungsjahr 2022 wird Thielemann vertragsgemäß noch drei Opernproduktionen leiten, Verdis „Don Carlos" (2020), Puccinis „Turandot“ (2021) und Wagners „Lohengrin“ (2022). Was und wer danach folgt, das steht bisher noch weit in den Sternen. Von wechselnden Orchestern und Dirigenten ist die Rede. Um aber das Festival für neue Publikumsschichten zu öffnen, könne sich Bachler zumindest theoretisch vorstellen bis zum Äußersten zu gehen, indem er die Düsseldorfer Alt-Herren-Band Die Toten Hosen einlädt. Na denn, viel Vergnügen.

Guido Fischer



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