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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Startseite · Oper & Konzert · Pasticcio

© Dontworry/Wikimedia / CC BY-SA 3.0

Pasticcio

Reißleine

Wann immer ein auswärtige Opern- und Theaterfan sich am besten zu Fuß zum Frankfurter Willy-Brandt-Platz aufmacht, ist er speziell abends immer wieder aufs Neue von dieser 120 Meter langen Glasfassade begeistert, mit der sich die Städtischen Bühnen zum städtischen Leben hin öffnen. Doch dieses Erlebnis wird demnächst vorbei sein. Denn jetzt steht ultimativ fest: Deutschlands größte Doppelanlage wird dem Erdboden gleichgemacht.
Der Reihe nach. 1963 wurden die Städtischen Bühnen Frankfurt eröffnet. Und schon bald bestimmten das Schauspielhaus und die Oper auch die Schlagzeilen nicht allein im bundesweiten Feuilleton. Zu den legendären Produktionen zählten etwa Ruth Berghaus´ Inszenierung von Wagners „Rings“ und Hans Neuenfels´ „Aida“. Hier erlebte 1978 Luigi Nonos Oper „Unter der großen Sonne von Liebe beladen“ in der Regie von Jürgen Flimm ihre Deutsche Erstaufführung. 1987 kam dann ein Teilstück von John Cages Anti-Oper „Europeras“ zur Uraufführung. Auch im 21. Jahrhundert zählt das Frankfurter Opernhaus noch immer zu den innovativsten. Weshalb Fachkritiker es in den letzten Jahren zwei Mal zur „Oper des Jahres“ kürten.
Inwieweit der bisherige Standort eine inspirierende Strahlkraft auf Intendanten, Dirigenten, Regisseure und Sängerensemble ausgeübt hat, wird sich erst in vielen Jahren ermessen lassen. Dann nämlich, wenn möglicherweise das Opern- und Schauspielhaus, dann jedoch an verschiedenen Plätzen in Frankfurt, ihren Spielbetrieb wieder aufgenommen haben. Denn eines ist aufgrund eines von der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung mit großer Mehrheit abgesegneten Beschlusses sicher: Die alten Städtische Bühnen werden auf jeden Fall abgerissen. Ob sie an alter Stelle wieder aufgebaut oder eben auseinandergerissen werden, steht aktuell nicht fest.
Auslöser für diese kulturpolitische, auch das Stadtbild tief verändernde Entscheidung war die Überlegung, ob es sich wirklich lohnt, das arg marode Doppelhaus zu renovieren und zu sanieren. Immerhin ist vieles, von der Klima-, Lüftungs- und Heizungstechnik bis zu sämtlichen Leitungen, längst veraltet. Und auch die Glasfassade ist in allen Belangen in die Jahre gekommen. Wie die Stabstelle „Städtische Bühnen“ nun nach einjähriger Prüfung ausgerechnet hat, würde eine Sanierung 918 Millionen Euro kosten. Dagegen käme ein Neubau auf 875 Millionen Euro. Und schon fast zum „Dumping-Preis“ von 809 Millionen bekäme man zwei autonome Häuser. Alles Pi mal Daumen, versteht sich. Denn wie die Beispiele in Stuttgart und Köln zeigen, haben alle Kostenvoranschläge nur eine geringe Halbwertszeit. Traurig ist man aber in jedem Fall schon jetzt bei der Vorstellung, dass irgendwann die Bagger Kurs auf den Willy-Brandt-Platz nehmen werden.

Guido Fischer



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