home

N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Startseite · Oper & Konzert · Da Capo

(c) Iko Freese/drama-berlin.de

Schauriges Brodeln

Berlin, Komische Oper: Weinbergers „Frühlingsstürme“

Wären Jaromír Weinbergers „Frühlingsstürme“ im Januar 1933 nicht die allerletzte Operettenpremiere der Weimarer Republik gewesen, man würde das Werk mit harmloseren Augen anschauen. Konventionell liebesverwickelt ist der Spionage-Plot vor dem Hintergrund des Russisch-Japanischen Krieges 1904/05. Kein Mensch steigt da beim Lesen durch. Außer „Traumversunken, liebestrunken“, von Uraufführungstenor Richard Tauber sogleich auf Schallplatte gebannt, ist kein Hit drin. Dennoch gelingt Barrie Kosky bei fortgeschrittener Intendanten- Ära – er bleibt der Komischen Oper ab 2022 als Hausregisseur verbunden – mit „Frühlingsstürme“ seine wohl beste Operetten- Arbeit bislang. Schon die Orchester-Rekonstruktion von Norbert Biermann (überlebt hatte nur ein Klavierauszug) entdeckt so viel schauriges Brodeln, so viel Vorschein der herandrohenden Nazi-Zeit, dass man den Tanz auf dem Vulkan nie deutlicher hörte. Mit Vera-Lotte Boecker hat man sich eine glänzende Operetten-Nachwuchs-Diva herangezüchtet. Tansel Akzeybeks stangenhafter Tenor versucht nicht künstlich Tauber-Töne zu wecken. Und Klaus Grünberg ist mit der sich öffnenden, überdrehenden Kaba-Kiste, die für Szenenwechsel sorgt, eine ingeniöse Bühnenbild-Lösung eingefallen. Auch Jordan de Souza am Pult hält ordentlich drauf. Absoluter Bringer des Abends ist der eigentlich wohlbekannte Schauspieler Stefan Kurt in der Hauptrolle des Generals. Eine Flitzpiepe, wie sie im Buche steht. Stefan Kurt exzelliert endlos in sinnfreiem Slapstick. Der läuft so souverän aus dem Ruder, dass nach der Pause fast durchgelacht wird. Es gibt doch noch echte Bühnen-Komiker. Übrigens, es war Weinbergers erste, aber nicht letzte Operette, nachdem der jüdische Komponist mit „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ seinen Durchbruch gefeiert hatte. Wenn nur ein echter Grund für eine Ausgrabung vorhanden ist, kann – wie dieser Abend lehrt – ein Triumph folgen. Super Timing. Selten so gelacht.

Robert Fraunholzer, 22.02.2020, RONDO Ausgabe 1 / 2020



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Gefragt

Gassenhauer-Trio

Klassischer Ohrwurm

Mit dem Trio Mönkemeyer, Hornung und Rimmer widmen sich drei passionierte Kammermusiker der Kunst […]
zum Artikel

Gefragt

Boulanger Trio

Feine Klangbäckerei

Seit 2012 lädt das Trio in Hamburg, Berlin und Wien zu einer Konzertreihe zeitgenössischer Musik […]
zum Artikel

Gefragt

Pablo Heras-Casado

Im Auge des Sturms

Das Jubiläumsjahr Monteverdis nimmt der Dirigent zum Anlass und erfüllt sich einen Jugendtraum: […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Der Komponist Giacomo Orefice (1865–1922) wuchs in einer jüdischen Familie im norditalienischen Vicenza auf und ist vor allem für sein Opernschaffen bekannt. Auch als Pädagoge macht er sich einen Namen, sein berühmtester Schüler war der Filmkomponist Nino Rota. Orefices bekanntestes Musiktheaterwerk ist „Chopin“, für das er die Klavierwerke des polnischen Komponisten orchestrierte. Seine eigene Klaviermusik umfasst überwiegend romantische Charakterstücke, die von Gedichten, […] mehr


Abo

Top