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(c) Maile Helbig
Unbekannt“ – oder unbedeutend? Diese Trennlinie ist schwer zu ziehen. Hat Ludwig van Beethoven überhaupt Unbedeutendes komponiert? Hätte er nicht sogar ein Recht darauf, schlechte Tage gehabt und Ephemeres hervorgebracht zu haben, über das die Zeit hinweggehen durfte …? Fragen über Fragen. In diesem Beethoven-Jahr wollen wir sie alle klären. „Von ‚unbedeutend‘ kann überhaupt nicht die Rede sein“, so Matthias Kirschnereit nassforsch, aber sicher. „Mein Eindruck ist, dass hinter dem Kanon noch viel zu entdecken bleibt.“ Er wolle nicht bestreiten, dass es überhaupt Unbedeutendes gibt. „Ditters von Dittersdorf etwa oder Ignaz Moscheles hatten vielleicht doch weniger Substanz.“ Bei Beethoven hingegen sei immer „eine Handschrift, eine Originalität und Kraft zu spüren“, die das Ausgraben lohnt. Kirschnereit hat ein ganzes Füllhorn von Kleinigkeiten und Brosamen vom Tischrand des Genies aufgelesen. „Auch bei all den Ländlern, Rondos und Bagatellen hat Beethoven nicht lockergelassen, sondern weitergestrickt, verschiedene Versionen angefertigt und überarbeitet.“ Es handele sich nicht um Liegengebliebenes oder Liegengelassenes wie bei Schubert. Zur Veröffentlichung waren die Werkchen trotzdem zu kurz und zu vereinzelt. „Den Schritt Schumanns, kleine Werke zu ‚Bunten Blättern‘ zusammenzufassen, ging Beethoven aber auch nicht.“ Er war eben kein Romantiker. Sondern nur der Anstoß dazu. So kreierte Beethoven in Wirklichkeit ein eigenes Zwischenfach. „Brosamen sind es nicht, sonst könnte man sie leicht loswerden. Harte Nüsse auch nicht, denn sie sind nicht schwer zu knacken“, meint Kirschnereit. Dennoch haben fast alle Pianisten bislang dieses Rohdiamanten-Reservoir ignoriert. Ein perfekter Anreiz für Kirschnereit. Der 1962 im münsterländischen Dorsten geborene Pianist war immer schon gut darin, Komponistenseiten wiederzuentdecken, bevor sich alle darauf stürzten – und ihm darin folgten. Mit Mozarts Klavierkonzerten, damals keine oft anzutreffende Ware, machte er vor 15 Jahren ebenso Furore wie später mit Mendelssohn. „Ich brauche eine Weile – und führe ein beschaulicheres Leben als Igor Levit oder Daniil Trifonov. Ich bin kein Star, und kann mir gerade deswegen meine Sachen aussuchen.“ „Ich hatte jahrelang eine Beethoven-Krise“, erzählt er zur Vorgeschichte, „und mochte von diesem Komponisten, obwohl ich ihn auswendig kenne, nur wenig spielen.“ Alle 32 Klaviersonaten aufzunehmen könne er sich kaum vorstellen. Vielleicht sorgt eben das für den frischen Blick, der dieses Beethoven-Album so inspirierend und schön macht. „Meisterwerke wie die F-Dur-Variationen wechseln mit Menuetten, Präludien und Ecossaisen ab.“ Es gibt merkwürdige Stücke wie das Andante in C-Dur – und rätselhafte wie die Sonatine F-Dur. Bagatellen, die keine Bagatellen sind. So ist „Beethoven Unknown“ weit mehr als nur ein Anhang oder Anmerkungsapparat zum Beethoven-Jahr. Es ist der Beweis, dass wir den Jubilar gar nicht kennen. Glückwunsch.
Robert Fraunholzer, RONDO Ausgabe 2 / 2020
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