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N° 1354
20. - 26.04.2024

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am 27.04.2024



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(c) Juris Zigelis

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Die Mezzo-Sopranistin Anne Sofie von Otter hat nach dem Freitod ihres Mannes vor zwei Jahren im Singen den erforderlichen Halt gefunden. „Ich kenne etliche Kollegen, die nach so einem Schock nicht mehr singen konnten“, sagte sie in Stockholm, wo sie lebt. „Einige Wochen war ich stumm. Dann habe ich gemerkt, wie mir das Singen hilft.“ Nicht die Musik selbst, sondern das Ausüben der Musik sei es gewesen. „Irgendwas Magisches passierte in meinem Hirn. Es riss mich raus. Es war eigentlich meine Rettung.“
Der Dirigent Robin Ticciati findet nichts dabei, wenn über seine Locken fast ebenso sehr geredet wird wie über seine Musik. „Noch besser ist, dass ich mich an entsprechenden Überlegungen nicht beteiligen muss. Ich höre sie nicht einmal“, so Ticciati in Berlin. „Das zähle ich zu den großen Privilegien meines Berufs: Ich darf mich ganz den musikalischen Inhalten zuwenden.“ Stattdessen betrachte er sich, was den performativen Charakter seines Berufes anbetrifft, „als eine Art ‚Meta-Tänzer‘“. Er müsse alles, was er erreichen will, in Bewegungen übersetzen. „Ich muss tanzen“, so Ticciati.
Die lettische Organistin Iveta Apkalna beklagt seit langem den Zustand der von ihr zu spielenden Instrumente in deutschen Konzerthäusern. „Die Orgeln im Münchner Gasteig oder in der Nürnberger Meistersingerhalle zum Beispiel habe ich in sehr schlechtem Zustand erlebt.“ Inzwischen ändere sich das schrittweise. Dem Orgelbauer der Hamburger Elbphilharmonie gratuliere sie jedes Jahr zur Einweihung seiner Orgel, als handele es sich um einen Geburtstag. Ihr Leben sei generell sehr speziell, so Apkalna in Paris. „Üben muss ich fast grundsätzlich nachts, weil mir nur dann Probenzeiten eingeräumt werden können.“ Helfende Hände lehnt sie ab. „Es gibt viele Organisten, die reisen mit Ehefrauen fürs Bügeln und fürs Registrieren“, so Apkalna, die mit ihrer Familie in Berlin lebt. „Ich bleibe Individualistin.“
Die Operetten-Diva Renate Holm (88) fährt noch Auto, betreut seit über 50 Jahren einen Hof für verwaiste Tiere in Niederösterreich und überwand jüngst eine gravierende Lungenkrebs-Erkrankung. Öffentlich singen tut sie auch noch. Unterrichten ebenso. „Ich glaube immer noch vor Angst zu sterben, wenn ich auftrete. Ich sage mir: ‚Es kommt doch gar nicht mehr drauf an!‘ Nützt nichts …“, so Holm in ihrer Wohnung im Wiener Villenviertel Cottage (Währing). „Elisabeth Schwarzkopfs letzte Figaro-Gräfin war meine erste Susanna“, so Holm. Als Fritz Wunderlich starb, gehörte sie in Buenos Aires zur Besetzung der „Entführung aus dem Serail“. „Ich bin als Papagena um die Welt gereist“, resümiert sie, „und habe kleine Rollen hoffentlich größer gemacht als sie sind“.
Um den Unfährlichkeiten von Konzert-Orgeln (s. o.) auszuweichen, hat sich der amerikanische Organist Cameron Carpenter 2014 bekanntlich eine „Touring-Orgel“ angeschafft, mit der er durch die Lande zieht. Bei dem digitalen Instrument handelt es sich um eine Kreuzung aus Konzert- und Kinoorgel. „Das Instrument ist nicht wirklich abbezahlt“, so Carpenter zuhause in Berlin. „Zumindest habe ich die Kosten für Logistik und den laufenden Betrieb völlig unterschätzt.“ Es handele sich um die „Katastrophe meines Lebens: Ich muss mehr arbeiten denn je…!“. Teile des Instruments existieren mehrfach, um Transportkosten einzudämmen. Sie lagern auf verschiedenen Kontinenten.
Die russische Mezzo-Sopranistin Ekaterina Gubanova, die bei den Bayreuther Festspielen als „Tannhäuser“-Venus aufgrund eines Sturzes zuletzt ausfiel, wird dieses Jahr singen. „Ich wurde gut behandelt“, so Gubanova in ihrem Haus in den italienischen Marken. Man hielt am Vertrag fest. Auf die Frage, ob sie ebenso blond sein werde wie letztes Jahr Elena Zhidkova, antwortete sie: „Elena trug doch meine Perücke!“ Nur werde ihr Rollenportrait „etwas härter ausfallen“, so Gubanova. „Ich bevorzuge eine leicht animalische Venus.“

Robert Fraunholzer, 18.04.2020, RONDO Ausgabe 2 / 2020



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