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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Pesaro

Rossini forever!

Nach seiner Bayreuth-Empörung in der Septemberausgabe ist Herbert Rosendorfer direkt nach Pesaro entwichen, zum diesjährigen Rossini Opera Festival. Schwant dem Leser jetzt nichts Gutes, sei er beruhigt. Bella Italia hat den Meister milde gestimmt – vor allem gefielen die dezenten und intelligenten Regieansätze. Und der Solohornist.

Das Rossini Opera Festival in Pesaro (heuer zum 32. Mal) ist eines der liebenswürdigsten Musikfeste. Die ganze Stadt ist ein klingender Resonanzboden für die Musik des »Schwanes von Pesaro«, und das wurde auch heuer nicht gestört, obwohl draußen in der Arena Adreatica die verkrampft- originelle Inszenierung des »Mosè in Egitto« unweste, was die meisten Besucher etwas verstört hat. »Mosè« ist ein ernstes, großes Werk Rossinis, seinerzeit für die Fastenzeit in Neapel gedacht, ein Werk von großer Schönheit und Würde. Dass es der Regisseur, der Wick oder so ähnlich heißt, dazu missbraucht hat, den modischen, wenngleich meist uneingestandenen Links-Antisemitismus darzustellen, ist nicht nur unverantwortlich, sondern dumm. Es scheint, die Zeiten gehen langsam über solche Inszenierungen hinweg, die gegen die Handlung, gegen den Text und sogar gegen die Musik arbeiten. Es lohnt nicht, sich weiter über so einen »Mosè« aufzuregen.
Dagegen war die »Adelaide di Borgogna«, eine seria (»dramma«) aus dem Jahr 1817, dem »Mosè« unmittelbar vorausgehend entstanden, eine große Entdeckung. Die Oper, die propterpraeter die historischen Ereignisse um die Einverleibung »Reichsitaliens« in das Römisch-deutsche Reich zur Zeit Kaiser Ottos I. behandelt, wurde seltsamerweise seit der Uraufführung in Rom 1817 so gut wie nie mehr gespielt. Es mag daran gelegen haben, dass die herausragende Partie eine gewaltige Alt-Rolle ist, die hier in Pesaro von der phänomenalen Daniela Barcellona dem begeisterten Publikum zu Füßen gelegt wurde. Nicht genug zu loben ist die Inszenierung dieses sicher etwas sperrigen Werkes (sperrig die Handlung, nicht die Musik) durch Pier Luigi Pier’Alli, der es verstanden hat, eine durchaus moderne, entstaubte Aufführung zu präsentieren, die sowohl der Musik als auch überhaupt dem Medium Oper gerecht wird, vielfach mit einfachen, wirkungsvollen Mitteln. Regie ist dann gut – so ähnlich wie bei der englischen Herrenmode früher –, wenn man sie nicht merkt. Die »Adelaide« hier kam diesem Ideal nahe.
Der reine, unbeschwerte Rossini-Genuss, die schiere Freude freilich, war dann die Wiederaufnahme der legendären »Scala di Seta«, eine Opera buffa (»farsa«) von 1812, in der Rossini seinen jugendfrischen Witz ungehindert verströmte. Die freche, durchaus moderne Inszenierung durch den genialen Lorenzo Fratini ließ die gute Laune ungefiltert ins jubelnde Publikum fließen. Ungerecht wäre es, den Bariton Paolo Bordogna nicht zu erwähnen, einen musikalischen Komödianten erster Güte, der in der Rolle des Dieners Germano die Zuhörer und Zuschauer, es ist nicht anders zu sagen, zum Rasen brachte.
Und noch ein P.S.: Die da unten werden kaum erwähnt, die im Orchester. Die »Adelaide« hat einige zauberhafte Horn-Stellen (Rossini hatte das gern), und der erste Hornist, und dies sei doch einmal gesagt, hat hinreißend schön geblasen, und nicht zuletzt ihm verdankte man den gelungenen Abend. Aber überhaupt und wieder einmal: Rossini und Pesaro forever!

Herbert Rosendorfer, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 5 / 2011



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