Startseite · Interview · Gefragt
Tanzt Boogie-Woogie mit Graf Waldstein: Felix Reuter © Hamish John Appleby
Wer tatsächlich hinter Ludwig van Beethovens ominöser „Elise“ stecken mag, haben bis heute selbst die schlauesten Köpfe nicht herausbekommen. Aber auch das Klavierstückchen an sich gibt weiterhin Rätsel auf. Was macht eigentlich besagte Elise da? Für Felix Reuter könnte es sein, dass sie verträumt aus dem Fenster schaut und sich wünscht, ein schmucker Jüngling auf einem weißen Pferd möge sie entführen. Besser aber gefällt Reuter eine andere Fassung. Statt eines weißen Kleppers kommt ein weißer Schwan vorbei – und zwar in Gestalt der Melodie aus Pjotr Tschaikowskis „Schwanensee“. Und am Klavier erzählt Reuter nun davon, wie dieser Ohrwurm mit der „Elise“ geradezu magisch miteinander verschmelzen kann.
„Elises Traum“ hat der Pianist, Komponist, Improvisationskünstler und vor allem Musikkabarettist dieses Teilstück einer etwas anderen, abendfüllenden Hommage an Beethoven getauft, die er sich für das verklungene Jubiläumsjahr 2020 ausgedacht hatte. Und wie zuvor mit „Die verflixte Klassik“ beweist Reuter jetzt auch auf Tonträger mit seinem aktuellen Programm „Der verflixte Beethoven“, dass große Musik, Humor und Unterhaltung sich nicht ausschließen müssen, sondern sehr gut harmonieren. Und da Reuter von jeher der Überzeugung ist, dass man selbst alte und ältere Musik der Zeit anpassen darf, in der sie gespielt wird, hat er jetzt auch bei den ausgewählten Beethoven-Schlagern musikalisch neue Klangfarben und Rhythmen entdeckt. Da verwandelt sich die „Waldsteinsonate“ in eine rock ʼnʼ rollige High-Energy-Nummer mit anschließender Boogie-Woogie-Rasanz. Im langsamen Satz der Sonate op. 31/II hat Reuter doch tatsächlich Latino-Flair entdeckt. Während er die dunkle und verhangene Stimmung in der „Pathétique“ durch einen kleinen Kniff einfach ins Helle verwandelt: Statt in As-Dur spielt er das „Adagio cantabile“ nämlich jetzt in Es-Dur.
So fantasiereich der aus Jena stammende Pianist Beethoven für Musikinteressierte neu entdeckt, so unterscheidet er sich dabei doch von solch quälend überdrehten Klassik-Klavierentertainern wie Hans Liberg. Bei Reuters Neuinterpretationen bzw. musikalischen Updates schwingt stets seine unbedingte Liebe zu Beethoven mit, der natürlich auch während des Klavierstudiums an der Franz-Liszt-Musikhochschule in Weimar auf dem Notenpult stand. „Seit meiner Kindheit begegne ich Beethoven immer wieder neu“, so Reuter. „Und wer sich versucht vorzustellen, wie es ist, die längste Zeit seines Lebens fast vollständig taub zu sein, kann über die Vielfalt der musikalischen Ideen Beethovens nur staunen.“
Ins Staunen kommt man eben auch bei dem Programm „Der verflixte Beethoven“. Hoffentlich kann Reuter bald all jene Konzerte nachholen, die im Beethoven-Jahr coronabedingt ausgefallen sind. Und wie auf der CD, bei der er übrigens auch mit sympathisch eitlen Moderationen glänzt, lernt man die verliebte Elise dann noch von einer ganz anderen Seite kennen. Wenn nämlich weder ein Schimmel noch ein Schwan vorbeischauen, sondern der Geist des Ragtime-Kings Scott Joplin.
Zum neuen Album
Reinhard Lemelle13.03.2021, Online-Artikel
Das Leben und da speziell die Computertechnologie schreibt unaufhörlich Geschichten, die sich für […]
zum Artikel
Unser Stammgast im Wiener Musiker-Wohnzimmer
Ralph Benatzkys „Meine Schwester und ich“ verfügt über einen der schlimmsten Ohrwürmer der […]
zum Artikel
Als Pierre Boulez im vergangenen März seinen 90. Geburtstag feierte, wurde er von alten und neuen […]
zum Artikel