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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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(c) Kristian Schuller

Pablo Ferrández

Spanisches Blut, russische Seele

Wieder macht sich ein junger Cellist auf, die Klassikwelt zu erobern. Für den Spanier Ferrández ist sein Vorname Verpflflichtung.

Sie sind beide fast gleich alt, sie wohnten in Berlin-Wedding in der gleichen Wohnung mit Beamer im Wohnzimmer für „Star Wars“ und die geliebten Stanley-Kubrick-Filme. Aber während der heute 28-jährige Kian Soltani, Vorarlberger mit persischem Hintergrund, zu einem besonderen Liebling von Daniel Barenboim avancierte, mit dem er Trio spielt und den er nicht nur in seinem West-Eastern Divan Orchestra solistisch förderte, hat es den inzwischen 29-jährigen Spanier Pablo Ferrández wieder nach Hause nach Madrid gezogen. Ferrández wurde besonders von Anne-Sophie Mutter und ihrer Stiftung sowie von Gidon Kremer und Christoph Eschenbach gefördert, die er während seines Aufenthaltes an der Streicherkaderschmiede im hessischen Kronberg kennengelernt hatte. Soltani hat bereits einige CDs für die Deutsche Grammophon fabriziert, der längst schon international tourende Ferrández startet mit dem neuen Album seinen Vertrag bei Sony. Künstlerisch könnten sie unterschiedlicher nicht sein, aber noch immer sind die beiden hervorragenden Cellisten allerbeste Freunde. Und Pablo Ferrández’ engere Label-Konkurrenz heißt jetzt eher Yo-Yo Ma und Sol Gabetta. Aber auch die scheint ihm keine schlaflosen Nächte zu bereiten. Schließlich spielt er schon seit seinem dritten Lebensjahr Cello. „Etwas anderes kam für mich gar nicht in Frage“, sagt er so alternativlos knapp wie präzise. Und natürlich wussten seine musikbegeisterten Eltern auch, dass sie ihm mit dem Vornamen Pablo eine gewisse Hypothek gaben. Heißt doch so der Katalane Pablo „Pau“ Casals (1876–1973), nicht nur eine Legende unter den Cellisten, sondern der einzig bedeutende Vertreter seines Instrumentes, den Spanien bis heute hervorgebracht hat. Pablo Ferrández hat Casals’ tönende Hinterlassenschaft eindrücklich studiert. Dabei wurde ihm dessen berühmte Eigenkomposition „El cant dels ocells“ so teuer, dass er diesen „Gesang der Vögel“ in jedem Konzert als Zugabe spielt. Trotzdem will er sehr konsequent seinen eigenen Weg gehen. Das zeigt schon dieses Label-Debüt. Die Firma war schon länger an ihm dran. Nach seinen Auftritten mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sei man sich aber schnell auf einen Vertrag einig geworden.

Souverän gebündelt

Der sieht in Kürze schon das erste Konzert-Album vor, das Brahms-Doppelkonzert mit einer prominenten Geigensolistin. Im Konzertfach ist er bereits gut vertreten: Für Onyx spielte Pablo Ferrández die Cellokonzerte von Robert Schumann und Antonín Dvořák ein. Es gibt von ihm zudem Aufnahmen mit Konzerten von Joseph Haydn und Erich Wolfgang Korngold, Gioachino Rossini und Gian Carlo Menotti. Sein Major-Debüt sollte aber so intim wie persönlich ausfallen. Und so hat Pablo Ferrández zwei wichtige biografische Linien klug und souverän gebündelt. Da gibt es natürlich seine spanische Herkunft, der er gern Rechnung tragen möchte. Er ist übrigens auch der erste spanische Cellist der ein Stradivari-Instrument von der Nippon Foundation zur Verfügung gestellt bekommen hat. Es handelt sich um das „Lord Aylesford“-Cello, eines der ältesten überhaupt, von 1696. Es wurde von Gregor Piatigorsky gespielt und gehörte Janos Starker. Und dann ist für Pablo Ferrández alles Russische wichtig. Mit 13 Jahren wurde er als Schüler der prestigeträchtigen Escuela Superior de Música Reina Sofía angenommen, wo auffallend viele Russen unterrichten; die Rostropowitsch-Schülerin Natalija Schachowskaja war seine Lehrerin. Sie machte ihn besonders mit dem russischen Repertoire vertraut und coachte ihn auch für seine Teilnahme beim 15. Tschaikowski-Wettbewerb, dem härtesten der Welt, wo er 2015 Vierter wurde. „Und so war klar für mich, dass ich auf dieser ersten Kammermusik-CD unbedingt die Sonate von Sergei Rachmaninow als zentrales Werk einspielen wollte. Dafür suchte ich einen russischen Klavierpartner. Ich fühle mich sehr geehrt, dass mein Freund Denis Kozhukhin, der ja auch in Madrid beim eben verstorbenen Dmitri Baschkirow studierte, zugesagt hat. Da fühle ich mich stilistisch sehr geborgen, und ich weiß, dass er schon viele Aufnahmeanfragen für diese Sonate abgesagt hat, weil er auf den richtigen Cellisten warten wollte. Abgerundet haben wir das Album mit vier weiteren kurzen Rachmaninow-Stücken, sowie nicht ganz so häufig zu hörenden Bearbeitungen von Manuel de Falla und Enrique Granados.“ „Technik, Esprit, Autorität, Aufgeschlossenheit: Pablo Ferrández hat das im Übermaß. Dazu kommen tiefgehende Musikalität und überwältigendes Charisma“, charakterisiert ihn Christoph Eschenbach. „Er ist wirklich etwas Besonderes… wunderbarer Ton, sehr raffiniertes Vibrato, eine makellose linke und rechte Hand, und ein wahrer Musiker“, so lobt Anne-Sophie Mutter. Mit der und Khatia Buniatishvili hat er übrigens bis zum ersten Lockdown das Beethoven-Tripelkonzert aufgeführt. „Natürlich waren die letzten Monate hart und völlig ungewohnt. Es war wie eine Vollbremsung, bei gerade recht rasanter Fahrt. Ich habe viel geübt. Aber mein Kalender ist voll. Ich bin also zuversichtlich für meine Zukunft.“

Neu erschienen:

Rachmaninow, de Falla, Granados, Casals

„Reflections“

mit Ferrández, Kozhukhin

Sony

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Frag Pablo!

Neben seiner Arbeit als Musiker hat Pablo Ferrández auf Instagram Berühmtheit erlangt, wo sein Profil eine Kombination aus Proben- und Aufführungsmaterial, Videos von ihm beim Üben und seiner beliebten #askpablo-Serie ist, in der Lösungen für knifflige technische Probleme veröffentlicht werden: „Ich habe vor ein paar Jahren mit Instagram begonnen“, erzählt er. „Ich habe damit angefangen, weil ich dachte, es macht Spaß. Ich denke, es ist eine großartige Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu bleiben, die meiner Karriere folgen. Als Student hätte ich diese Dinge gerne gesehen. Deshalb mache ich es.“ Fast 100.000 Follower hat er inzwischen, für sein Label sicher auch ein guter Signing-Grund.

Matthias Siehler, 27.03.2021, RONDO Ausgabe 2 / 2021



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