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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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(c) Ilker Arcayürek/Simon Lepper

Simon Lepper

Ein Lebenspfad in Liedern

Auf ihrem neuen Album begibt sich der Pianist mit Tenor Ilker Arcayürek in bekannte und unbekannte Schubert-Gefilde.

The Path of Life“ heißt das neue, für Prospero Classics aufgenommene Album des österreichischen Tenors Ilker Arcayürek: eine limitierte High-End-Edition, edel aufgemacht mit Bildern des marokkanischen Fotografen Achraf Baznani, den Arcayürek als wesentlichen Inspirator dieser Aufnahme nennt. Orientierungspunkte dieses musikalisch durchlaufenen „Path of Life“ sind Lieder von Franz Schubert, die, zu einzelnen Themengruppen gebündelt, symbolisch für die Stationen und Ziele im Leben jedes Einzelnen stehen könnten. Ilker Arcayürek hat das Programm auf seine individuellen Ausdrucksbedürfnisse zugeschnitten; doch auch sein Pianist Simon Lepper, der bereits 2017 am gemeinsamen Schubert-Album „Der Einsame“ beteiligt war, findet sich darin wieder. Schon aus beruflichen Gründen wird sein eigener musikalischer „Lebenspfad“ von keiner anderen Gattung so sehr bestimmt wie vom Lied. „Es gibt in Großbritannien eine große Tradition in der Liedbegleitung“, sagt Lepper, der im Gegensatz zu anderen keine Scheu hat, das Wort „Begleitung“ in den Mund zu nehmen. „Vielleicht liegt es daran, dass wir schon seit Jahrhunderten sehr intensiv Hausmusik betreiben.“ Auch Team- und Diplomatiefähigkeit, die für den Beruf eines Lied-Pianisten – so die häufig bevorzugte Bezeichnung – unerlässlich ist, mag als besondere nationale Eigenschaft eine Rolle spielen. „Als Begleiter muss ich die Intention des Sängers aufnehmen, ohne meinen eigenen Part zu vernachlässigen.“ Ein Liederabend, bei dem die Beteiligten aneinander vorbeimusizieren, wäre für ihn die Katastrophe schlechthin. „Ich bin selbst kein Sänger“, sagt Simon Lepper, „gleichzeitig muss es mir gelingen, zusammen mit dem Solisten in den poetischen Fluss eines Liedes einzusteigen. Eine Lied-Interpretation kann nur gemeinsam gelingen.“ Was das angeht, muss man sich bei ihm und Ilker Arcayürek keine Sorgen machen.

Liebe zur Literatur

Dank seines Renommees hat Simon Lepper ohnehin das Glück, nur mit den wirklichen Größen der Zunft zusammenzuarbeiten. Dutzende Stars, darunter Sängerinnen und Sänger wie Christiane Karg, Mark Padmore oder Christopher Maltman, hat er am Flügel begleitet. Selbst die legendäre Elisabeth Schwarzkopf durfte er noch kennenlernen. Dass er einmal in die Fußstapfen solcher Legenden wie Gerald Moore oder Graham Johnson treten würde, konnte er als junger Musikstudent am King’s College in Cambridge nicht ahnen. „Bevor ich an die Royal Academy of Music wechselte, hatte ich mich viel mit der Flöte beschäftigt, wollte dann aber ‚normaler‘ Konzertpianist werden“, erzählt er. Erst die Begegnung mit Joseph Seiger, dem langjährigen Klavierpartner des Geigers Mischa Elman, brachte ihn dazu, sich näher mit dem Thema Lied-Begleitung zu beschäftigen: genau die richtige Karriereoption für einen jungen Musiker mit breitgefächerten Interessen und großer Liebe zur Literaturgeschichte. Neben dem Lied beschäftigt er sich auch mit Kammermusik, unter anderem als regelmäßiger Partner der Geigerin Carolin Widmann. „Natürlich muss man verdammt gut Klavier spielen können“, sagt Simon Lepper, der als Hochschullehrer heute selbst am Royal College of Music in London das Fach Klavierbegleitung unterrichtet. „Es hilft den Studierenden aber nichts, wenn sie keine Ahnung von den Hintergründen jenseits der Musik haben.“ Wie für die Sänger auch ist es für die Pianisten wichtig, den Text in die Interpretation miteinzubeziehen. Nur so lässt sich den technisch oft nicht besonders anspruchsvollen Klaviernoten Leben einhauchen. Schubert ist ein gutes Beispiel für diese Wechselwirkung, und umso spannender findet Simon Lepper die Zusammenarbeit mit Ilker Arcayürek. In Istanbul geboren und in Schuberts Heimatstadt Wien aufgewachsen, steht der Tenor dem Komponisten allein schon idiomatisch sehr nahe. „Er hat auch allein entschieden, welche Lieder wir für diesen imaginären Zyklus nehmen.“ Ein kurzer Blick verrät, dass es sich dabei nicht um ein bloßes Best-of der populärsten Schubert-Lieder handelt. Neben Wohlbekanntem wie dem „Wanderer“ oder „Willkommen und Abschied“ blüht hier manches im Verborgenen – selbst aus Simon Leppers Sicht. „Das Lied ‚Alinde‘ hatte ich überhaupt noch nie mit jemandem aufgeführt“, berichtet er. So bedeutete die Aufnahme-Session, die im vergangenen Sommer einschließlich nachfolgender Konzerte in der Schweiz stattfand, nach langer Pandemie-Pause nicht nur die langersehnte Wiederkehr in den Beruf. Sie wurde auch zur Entdeckungsreise in einem Repertoire, das bei aller Vertrautheit selbst für Eingeweihte noch immer Überraschungen bereithält.

Neu erschienen:

Schubert

„The Path of Life“ (Lieder)

mit Arcayürek, Lepper

Prospero/Note 1

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Der Mann am Klavier

Es sind vor allem die großen Sänger, die in die Geschichte des Liedgesangs eingegangen sind. Was aber wären sie ohne ihre Partner am Klavier gewesen? Die Emanzipation des Liedpianisten als mehr oder weniger eigenständige Berufsgruppe fand in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts statt. Einer der ersten großen „Begleiter“ war der 1899 geborene Gerald Moore, dessen Name heute untrennbar mit Liedgrößen wie Dietrich Fischer-Dieskau, Elisabeth Schwarzkopf oder Janet Baker verbunden ist. Viele sehen ihn heute als Begründer einer spezifisch britischen Tradition, aus der neben Simon Lepper auch Pianisten wie Graham Johnson, Julius Drake oder der Schotte Malcolm Martineau hervorgegangen sind.

Stephan Schwarz-Peters, 27.03.2021, RONDO Ausgabe 2 / 2021



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