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RONDO: Was hat Sie dazu bewogen, die nun schon die Hälfte Ihres Lebens bestehende Gruppe, die zunächst David Orlowskys Klezmorim hieß, in David Orlowsky Trio umzubenennen?
David Orlowsky: Bei diesem Namen haben viele Konzertbesucher einfach traditionellen Klezmer erwartet, und dem konnten und wollten wir nicht mehr entsprechen. Wir haben uns immer weiter davon weg entwickelt. Wir nennen unseren Stil »Kammerweltmusik«: die Arbeitsweise und Komplexität sind eher kammermusikalisch, die Melodien und Rhythmen klingen oft folkloristisch oder nach populärer Musik. Mit dem neuen Namen sind wir da etwas freier. Inzwischen kommt auch niemand mehr nach dem Konzert zu uns und beschwert sich, dass wir nicht »Hava Nagila« gespielt haben ...
RONDO: Welche Rolle spielte für Sie die Begegnung mit Giora Feidman und wie hat er Ihre Musizierauffassung geprägt?
David Orlowsky: Mich hat vor allem die Unmittelbarkeit und Direktheit angesprochen. Das war, als ob jemand auf seinem Instrument singt und das wollte ich auch machen. Giora hat mich inspiriert und gefördert, indem er mich ab und zu als Überraschung auf die Bühne geholt hat. Ich war nie sein Schüler, auch wenn das immer wieder geschrieben wird. Ich denke, diese Art Musik zu machen kann man sowieso nicht unterrichten, das lernt man über das Hören und Spielen.
RONDO: Der Mandolinist Avi Avital und der Bandoneon-Spieler Per Arne Glorvigen, die beiden Gäste des Trios auf »Chronos«, klingen, als gehörten sie schon immer zur Gruppe, und in der Tat haben sie ja schon an »Noema « mitgewirkt. Solch homogenes Zusammenwirken entsteht wohl nicht, wenn man sich nur alle heiligen Zeiten trifft.
David Orlowsky: Mit Avi sind wir sowieso viel unterwegs und Per Arne kam immer direkt zu den Aufnahmen, wir haben einen Tag geprobt. Das Trio habe ich 1997 mit Florian Dohrmann gegründet, wir haben damals im Studentenorchester Tübingen zusammen gespielt. Jens-Uwe Popp kam dann 2005 dazu. Ein echter Glücksfall. Da passt kein Haar dazwischen, und wir können gut zusammen atmen, da muss niemand irgendwelche Einsätze geben. Angefangen haben wir mit traditionellem Klezmer. Dann kamen eigene Kompositionen im Klezmerstil, die irgendwann immer komplexer und vertrackter wurden und verschiedenste Einflüsse verarbeitet haben. Auf »Chronos « haben wir dann allen unnötigen Ballast abgeworfen und alles radikal entschlackt. Bei vielen Ideen, die uns Spaß gemacht haben, haben wir uns gefragt, ob sie der Musik wirklich dienen, und wenn das nicht so war, sind sie gleich wieder rausgeflogen. Ich finde, das funktioniert wie bei dem Bildhauer, der sagt, die Figur sei schon im Stein, er muss sie nur noch freilegen.
RONDO: Wie würden Sie selbst die Rolle der einzelnen Mitglieder des Trios definieren? Wo hat jeder seine Stärken?
David Orlowsky: Die anspruchsvollste Funktion hat sicher Jens-Uwe an der Gitarre, er füllt den gesamten Raum zwischen Florian und mir und muss schnell zwischen rhythmischen, flächigen und melodischen Teilen wechseln. Er ist also gleichzeitig Schlagzeug, Orchester und Solist. Florian ist als Bassist natürlich das Fundament und rhythmische Rückgrat und ich das Melodieinstrument. Wir brechen diese Strukturen aber auch immer wieder auf, sodass sich die unterschiedlichen Schichten verweben. Eigentlich wandern wir ständig umeinander herum wie drei frei schwebende Magneten, die abstürzen, wenn das Gleichgewicht nicht mehr stimmt. Es ist wirklich ein Trio und keine Klarinette mit Rhythmusgruppe.
RONDO: Welche Rolle spielt eigentlich Improvisation in Ihrer Musik?
David Orlowsky: Die endgültige Form und die Ausarbeitung der einzelnen Parts entstehen in der Gruppe. Da verbringen wir viel Zeit damit, an den Grooves und Linien herumzuschrauben, bis es anfängt zu schweben. Es ist viel Raum für Improvisation und Variation. Allerdings ist unsere Art zu improvisieren eher modal und atmosphärisch.
RONDO: Inwieweit bildeten philosophische Überlegungen über die Zeit bei der Entstehung eine Rolle?
David Orlowsky: Wir lieben ungerade Takte und rhythmische Überlagerungen. Aber auch schon, wenn man für eine simple Polka genau das richtige Mikrotiming erwischt, passiert etwas Magisches, und es fängt an zu leben. Das ist faszinierend und rätselhaft, man kann es mit dem Intellekt nicht wirklich beeinflussen, das kommt irgendwo anders her. Wir kommen eigentlich immer wieder zu dem Schluss, dass man es nicht erklären kann und einfach froh sein sollte, wenn es passiert. Man muss ja nicht alles verstehen, was man erleben kann.
Marcus A. Woelfle, 30.11.1999, RONDO Ausgabe 4 / 2011
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