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N° 1353
13. - 21.04.2024

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am 20.04.2024



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(c) Bundesjugendorchester/Deutscher Musikrat

Kultur nach Corona

Wer soll das bezahlen?

Unsere Kulturlandschaft hat Corona längst nicht weggesteckt. Wenn nun noch Budgets schrumpfen und Sponsoren abspringen, bleibt die Frage nach der Finanzierung.

Mit dem Herbst kommt die Hoffnung. Nach langen eineinhalb Jahren Corona-Pandemie schimmert nun auch im Klassikbetrieb ein Licht am Ende des Tunnels: Die Vollbesetzung der Konzertsäle scheint nicht mehr fern. Selbst wenn sich erst zeigen muss, ob das Publikum in diese auch so schnell zurückkehren wird wie in die mittlerweile schon wieder gut gefüllten Fußballstadien. Zu allen Debatten um die Bedeutung der Kultur, die im Begriff der „Systemrelevanz“ ihr Unwort fanden, gesellt sich immer drängender die Frage nach dem Geld. Trotz Überbrückungszahlungen und Neustartprogrammen – der Kassensturz kommt erst noch. Doch schon jetzt ist klar: Es wird und muss um Grundsätzliches gehen. Wie viel Geld ist dem Staat künftig jenes Kulturleben wert, das in den vergangenen anderthalb Jahren so oft hintenanstehen musste? Wie viel Geld wird in den gebeutelten kommunalen Haushalten noch für Kultur zur Verfügung stehen? Zu wenig, vermuten manche. Auf der anderen Seite steht das Sponsoring aus der Privatwirtschaft, das die öffentliche Förderungen der Kulturinstitutionen in verschiedenem Maße ergänzt. Auch hier bleiben Fragen: Werden Unternehmen bei der Image-Politur in Kulturförderung künftig kürzertreten? Hängt der Sport das Kultursponsoring nun endgültig ab?

Ein Modell auf dem Prüfstand

Eine Sonderstellung unter den Musikfestivals nimmt der Heidelberger Frühling ein, der zu großen Teilen von kulturaffinen Mäzenen und Sponsoren finanziert wird. Die letzten zwei Ausgaben des Festivals mussten abgesagt werden, Ticketeinnahmen blieben aus. Auf die Unterstützung seiner Sponsoren kann Intendant Thorsten Schmidt weiterhin zählen. „Unsere langfristigen Partnerschaften, die den Familienaspekt des Festivals in sich tragen, haben auch während der Pandemie gut funktioniert“, sagt Schmidt. Doch Sponsoring beruht auf Gegenseitigkeit. Werden aufgrund von Aufführungsverboten keine Leistungen erbracht, fehlt die Geschäftsgrundlage. „Viele Sponsoren sind 2020 mit dem vollen Betrag dabeigeblieben“, berichtet Schmidt. „In diesem Jahr konnten wir das von unseren Förderern und Mäzenen nicht erwarten. Es waren individuelle Verhandlungen, immer auch verbunden mit einem Entgegenkommen. Niemand hat sich ganz vom Frühling abgekehrt.“ Müssen Festivals also vermehrt ihre Fundraising-Abteilungen ausbauen? Für Schmidt bleibt diese Form der Finanzierung mit Gefahren verbunden. Als Tochter einer Kommune macht der öffentliche Zuschuss nur 25 Prozent der Finanzierung des Festivals aus, der Rest muss über Karteneinnahmen und Sponsoring generiert werden. „Wenn die Pandemie vorüber ist, müssen wir uns dieses Finanzierungsmodell sehr genau anschauen. Es ist deutlich geworden, dass in solchen Krisen die Gefahrenmomente ungemein groß sind“, sagt Schmidt, der mit Sorgen in die Zukunft blickt. „Was passiert, wenn die Pandemie vorbei ist? Wird es zu Verteilungskämpfen kommen? Ich glaube, dass die Jahre 2023, 2024, 2025 sehr schwierig werden könnten.“

Auf Partnersuche

Sprung nach Augsburg. Im April kündet eine Pressemitteilung des Staatstheaters Augsburg die schlechte Nachricht: Der jahrelange Partner MAN beendet sein Sponsoring der Augsburger Philharmoniker. Die Suche nach einem neuen Partner läuft bis heute, man befinde sich in Gesprächen. Wir fragen nach: Hat sich das Verhalten der Sponsoren während der Corona-Pandemie grundsätzlich verändert? „Man muss klar sagen, dass es in Corona-Zeiten nicht leicht ist, neue Sponsoren zu akquirieren“, sagt Intendant André Bücker. „Die Theater haben in den letzten anderthalb Jahren kaum gespielt und die Betriebe sind teils selbst massiv von den Auswirkungen der Lockdowns betroffen. Das ist für die Kulturbetriebe keine einfache Situation.“ Die weiteren Sponsoren seien aber an Bord geblieben. Einigen hätten die Summen der Zuwendungen reduziert, berichtet Bücker von der Unterstützung aus der Wirtschaft. Einen grundsätzlichen Kurswechsel hält er nicht für erstrebenswert. „Wenn es um die Finanzierung von öffentlichen Kultureinrichtungen geht, legen einem Politiker gerne nah, dass man zur Wirtschaft gehen sollte. Tatsächlich sind die Sponsoringmittel, die man einwerben kann, in den meisten Fällen nur etwas, das den künstlerischen Betrieb aufpolstert, etwa für besondere Produktionen. Die Häuser selbst sind strukturell nicht durch Drittmittel zu finanzieren und das fände ich auch nicht richtig.“ Sponsoring könne in Deutschland nur eine Ergänzung zur öffentlichen Förderung sein. „Zur Kultur gehört in Deutschland, dass sie öffentlich finanziert wird“, so Bücker. In den kommenden Monaten müsse man nun erst einmal das eigene Angebot in den Vordergrund rücken. „Durch den sehr langen Lockdown und das Aufführungsverbot war es gar nicht möglich, attraktiv zu erscheinen für Partner aus der Wirtschaft. Das muss sich erstmal wieder normalisieren“, sagt Bücker. Und die Kulturhaushalte? „In Zeiten der Krise an der Kultur zu sparen, ist das Kurzsichtigste, was man machen kann. Aber ich weiß auch, dass die öffentlichen Haushalte mehr als angespannt sind. Da dürfte noch die ein oder andere Debatte auf die Kulturlandschaft zukommen.“

Fragiles Berufsbild

Positive Neuigkeiten hingegen vom Bundesjugendorchester: Mit der Deka-Bank bleibt ein wichtiger Partner aus der Wirtschaft künftig an der Seite des renommierten Nachwuchsorchesters. Für Orchesterdirektor Sönke Lentz eine wichtige Nachricht in finanziell herausfordernden Zeiten: „Dass die Deka-Bank auch in solchen Zeiten an unserer Seite bleibt, ist für uns immens wichtig. Ich fürchte, dass die kommunalen Haushalte in den kommenden Jahren sehr unter Druck stehen werden. Es gibt auch schon erste Signale aus der Bundesverwaltung uns gegenüber, dass wir möglicherweise nicht mehr in dem vollen Umfang, wie wir es gewohnt sind, mit Geldern rechnen können“, sagt Lentz zur aktuellen Situation. Zu einem Drittel wird das Bundesjugendorchester aus öffentlichen Geldern finanziert, ergänzt um Konzerteinnahmen und die sogenannten Drittmittel, die auch das Sponsoring beinhalten. Lentz glaubt, dass man den Rückgang der öffentlichen Mittel im Betrieb spüren wird. „Die Bedeutung von Sponsoring und Spenden aus der Privatwirtschaft und auch von Privatpersonen wird sich nochmals verstärken müssen, damit wir nicht an Substanz verlieren.“ Sponsorengelder setzt das Orchester zum Beispiel ein, um Jugendlichen aus finanziell schwächer aufgestellten Familien die Teilhabe an den Orchesterprojekten zu ermöglichen. Und das weist schon auf die nächste Baustelle hin. Denn: Die Pandemie dürfte gerade dem Nachwuchs verdeutlicht haben, dass der Weg zum Berufsmusiker ein besonderer und nicht der sicherste ist. Die Auswirkungen könnte man dann auch beim Bundesjugendorchester spüren. „Meine Befürchtung ist, dass das im Grunde Berufsverbot besonders für freiberufliche Musiker in der Pandemie allen Jugendlichen, die sich mit dem Thema beschäftigen, gezeigt hat, dass das Berufsbild fragil ist.“ Bei aller Hoffnung bleibt vieles ungewiss.

Zukunftsmusik

Mit dem Fonds „Zukunftsmusik“ reagierte der Heidelberger Frühling auf die zweite Festivalabsage in Folge und die massiven Einschränkungen des kulturellen Lebens durch die Corona-Pandemie. Gemeinsam mit seinen vier Hauptpartnern – je einem Baustoffhersteller, Finanzdienstleister, Pharmakonzern, Softwareunternehmen – rief das Festival einen Fonds ins Leben, dessen Mittel den unter fehlenden Zukunftsperspektiven und ausbleibenden Engagements leidenden jungen Künstlern und Künstlerinnen in Form von Projektaufträgen zugutekommen sollen. Künstlerischer Botschafter des Förderprojekts ist der Pianist Igor Levit.

Jesper Klein, 30.10.2021, RONDO Ausgabe 5 / 2021



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