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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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(c) Irene Zandel

Dirk Kaftan

Kraft-Werk für die Zukunft

Das Saisonprogramm des Beethoven Orchesters Bonn setzt auf die Auseinandersetzung mit Themen der Nachhaltigkeitsdebatte.

Das Beethoven Orchester ist spät dran, denn das Programmbuch für die bereits angelaufene Saison ist Mitte September noch nicht gedruckt. Allerdings aus guten Gründen, denn die Pandemie-Situation wirft nach wie vor Fragezeichen auf, und so verzögerte der Wunsch nach verbindlicher Gültigkeit des Programmbuchs den Redaktionsschluss. Generalmusikdirektor Dirk Kaftan kommt gerade von einer Probe von Richard Strauss’ „Arabella“, wir sitzen auf der Terrasse eines Lokals gegenüber vom Opernhaus.

RONDO: Welchen roten Faden verfolgen Sie mit dem Konzertprogramm dieser Saison?

Dirk Kaftan: Erstmal feiern wir Wiedergeburt, wir können wieder nach vorne schauen und inzwischen glaube ich auch fest daran, dass es weitergeht. Dieser Neuanfang ist gerade nach dem Zusammenbruch des Beethovenjahres durch die Pandemie natürlich an sich schon eine Herausforderung.

RONDO: Worum geht es Ihnen zuallererst?

Es geht darum, die Menschen wieder zusammen zu bringen, eine neue Nähe zu finden, und das nicht nur zwischen uns Ausführenden, sondern auch zwischen uns und dem Publikum. Wir müssen den Draht wieder herstellen und Nähe zulassen. Es geht um die Gesundung der Seele, um das Wiederherstellen des Gemeinschaftsgefühls.

RONDO: Und wie haben Sie ganz konkret das Programm gestaltet?

Rein praktisch gibt es Konzerte, die wir nachholen müssen und wollen. Auch deshalb, weil wir uns den Künstlerinnen und Künstlern verpflichtet fühlen. Wir holen aber auch etliche unserer pädagogischen Projekte nach.

RONDO: Was jetzt umso nötiger ist?

Allerdings! Nach dieser endlosen Zeit des Home-Schoolings!

RONDO: Und was ist neu am Programm?

Inhaltlich ist es geprägt von der Tatsache, dass wir in diesem Jahr eine Partnerschaft mit dem Klimasekretariat der UN eingegangen sind, das Beethoven Orchester ist zum Botschafter ernannt worden. Es geht uns darum, Mut zu machen, Kraft zu geben, ein Bewusstsein zu wecken für die großen Herausforderungen der Zukunft und die Dringlichkeit zu unterstreichen, diese zu meistern. Dazu gehört natürlich die Klimakrise.

RONDO: Das Beethoven Orchester als Begleitmusik von Fridays-for-Future-Demos?

Nein, wir engagieren uns in einer Art und Weise, die eben nicht Protestkultur ist. Uns geht es darum, das Thema Nachhaltigkeit auf künstlerische Weise wie eine Art von Wasserzeichen mit dem Programm zu verweben.

RONDO: Wie darf man sich das konkret vorstellen?

Es geht auch darum, daran zu erinnern, wie schön und erhaltenswert diese Welt ist. Wir setzen zum Beispiel die „Alpensinfonie“ von Richard Strauss aufs Programm in der Reihe „Im Spiegel“, bei der immer ein prominenter Gast sich mit einem Werk auseinandersetzt. Zur „Alpensinfonie“ haben wir Reinhold Messner eingeladen, wir vertiefen uns mit ihm in das Werk und er wird von den dramatischen Veränderungen in der Natur berichten. Dann haben wir Eckart von Hirschhausen hier, der sich mit Mahlers Erster auseinandersetzt und über die Pandemie, Mensch und Natur, Umweltschutz und Zivilisationskritik sprechen wird.

RONDO: Ist das nicht sehr hoch gehängt?

Es geht uns nicht um den pädagogischen Zeigefinger, sondern um eine sinnliche und freudvolle Auseinandersetzung mit der Sache. Die Nachhaltigkeitsziele sind außerdem ja nicht nur beschränkt auf Natur und Umwelt, es geht auch um die Geschlechter-Gerechtigkeit und Gerechtigkeit ganz allgemein. Und da sind wir auch wieder bei Beethoven, den diese Fragen ja besonders umgetrieben haben. Ich sehe da viele Farben und Querverbindungen, aber auf subtile, sinnliche und poetische Weise.

RONDO: Die Reihe „Im Spiegel“ hat sich bewährt?

Ja, denn wir holen bekannte Leute, die für bestimmte Themen stehen und Kompetenz jenseits von Pädagogik repräsentieren, weil sie nicht direkt mit Musik zu tun haben. Das Werk steht im Vordergrund und wir versuchen uns an einer Übersetzung ins Heute.

Regine Müller, 16.10.2021, RONDO Ausgabe 5 / 2021



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