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Es ist immer noch fraglich, was die Szene der historischen Aufführungspraktiker wohl ohne ihn, ohne Gustav Leonhardt gemacht hätte. Schon seine Schüler bilden ein Whos Who der Originalklangbewegung: Bob van Asperen und Philippe Herreweghe, Richard Egarr, Christophe Rousset, Andreas Staier und Ton Koopman – sie alle sind in Leonhardts Schule bzw. Amsterdamer Konservatoriumsklasse gegangen. Aber der unweit von Hilversum geborene Dirigent, Cembalist, Organist, Lehrer und Musikwissenschaftler war halt der „überragende Kenner der Barockmusik überhaupt“. Diese Einschätzung Wolf Erichsons stammt von einem Produzenten, der zusammen mit Leonhardt, aber auch mit Nikolaus Harnoncourt Schallplatten- und Interpretationsgeschichte mitgeschrieben hat. Immerhin gehörten sie Anfang der 1960er Jahre zu den eigentlichen Vätern der legendären Reihe „Das Alte Werk“, mit dem das gängige Klangbild der barocken Meister endgültig neue Wesenszüge erhielt. Und Leonhardt war nicht nur als Impulsgeber unersetzlich, sondern erwies sich fortan auch als ein enorm produktiver Studiogast. Von Leonhardts rastloser Beschäftigung mit etwa Monteverdi, Händel, Rameau und vor allem mit dem Cembalo-, Kammermusik- und Kantatenkomponisten Bach erzählt denn auch die stolz gefüllte CD-Box, die Aufnahmen aus dem Zeitraum 1962 bis 1995 umfasst. Und wenngleich sich noch zu Lebzeiten Leonhardts (er verstarb 2012) das Alte Musik-Rad mächtig weitergedreht und immer auch wieder neuen Elan bekommen hat, hat sein diskographisches Erbe so gar keine Patina angesetzt.
Guido Fischer, 05.03.2022, RONDO Ausgabe 1 / 2022
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