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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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(c) Tom Watson

David Stern

Feurige Hingabe

Seit bald 20 Jahren pflegt der vielfach gefragte Dirigent mit seiner Opera Fuoco die Lust am Abenteuer, am Nachwuchs und an der unbekannten Oper.

„Ich habe hier die totale Freiheit, muss mich nicht durch Vorgänger oder Gewohnheiten einengen lassen. Dieses Repertoire kann ich einfach so entdecken.“ So einfach, aber nachvollziehbar umschreibt der Dirigent David Stern seinen Einsatz für und mit seiner Opernkompanie Opera Fuoco, die eben, als jüngstes Produkt einer ganzen Reihe von Unternehmungen, Giovanni Simone Mayrs Oper „L’amor conjugale“ als Album herausgebracht hat. Dabei handelt es sich um ein Werk des Typus „Rettungsoper“. Aber um ein ganz besonderes Werk: Denn ihm liegt das Textbuch der Opéra-comique „Léonore, ou L’amour conjugal“ von Jean Nicolas Bouilly zu Grunde, das von Pierre Gaveaux vertont und in Paris 1798 uraufgeführt wurde. Weitere Vertonungen des Stoffes stammen von Ferdinando Paër unter dem Titel „Leonora“ und, ja eben, von Ludwig van Beethoven unter dem Titel „Leonore“ und in der berühmten Endfassung dann „Fidelio“.
„Ich wollte hier gerade um das Beethoven-Jubiläum herum eine Neuaufnahme dieser wichtigen Variante einer bedeutenden Oper vorlegen“, erzählt Stern. Und die sehr guten Rezensionen geben ihm Recht. Mit guten Sängern gelang ihm die nur 90 Minuten lange „farsa sentimentale“, die anders als Beethoven auch auf den Chor verzichtet und von allen Versionen dieses Themas die bei weitem erfolgreichste war. So wie auch der Bayer Giovanni Simone Mayr, der eigentlich Johann Simon mit Vornamen hieß, nicht nur als Lehrer Gaetano Donizettis ein wichtiges, ein wenig vergessenes Bindeglied zwischen Klassik und Romantik ist. Und gerade in diesem, zwischen den Genre-Stühlen platzierten Werk mit seinen komischen wie sentimentalen Elementen Mozart noch näher steht als dem jungen Rossini in späteren Stücken.

Vom Stadttheater zur Ausgrabung

David Stern, sein Vater ist der legendäre, 2001 gestorbene Geiger Isaac Stern, hätte eigentlich auch als Dirigent genug zu tun. Geboren 1963 in New York hat er vor allem in Europa Karriere gemacht, assistierte zunächst Christoph von Dohnányi, Pierre Boulez, John Eliot Gardiner, Jeffrey Tate, Myung-Whun Chung und Antonio Pappano. Er war von 1995 bis 1997 Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters Südwestfalen in Siegen und dann bis 1999 an der Académie Européenne de Musique in Aix-en-Provence. Von 2008 bis 2012 war Stern Chefdirigent am Theater St. Gallen, von 2008 bis 2014 an der Israeli Opera in Tel Aviv. Bei vielen bedeutenden Orchestern gastiert er regelmäßig.
2003 dann gründete Stern mit seiner Frau, der Geigerin Katharina Wolff, das Ensemble Opera Fuoco, das barockes und klassisches Opernrepertoire auf Originalinstrumenten aufführt. Das Ensemble ist seither regelmäßiger Gast im Amsterdamer Concertgebouw und im Théâtre des Champs-Elysées in Paris und hat eine eigene Spielstätte in Saint-Quentin-en-Yvelines. Immer intensiver hat sich die Truppe der Aufführung des Repertoires vom mittleren 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart verschrieben.
Stern produzierte zudem mehrere Alben, darunter Händels „Semele“ und „Jephta“ sowie Johann Christian Bachs „Zanaïda“, die 2011 erstmals unter seiner Leitung wieder im historischen Goethe-Theater in Bad Lauchstädt erklang. 2012 brachte Opera Fuoco mit Nicolas Bacri „Così fanciulli“ heraus – eine Art Vorgeschichte zu Mozarts „Così fan tutte“, Uraufführung eines eigenen Kompositionsauftrags auf ein Libretto des französischen Literaturstars Éric-Emmanuel Schmitt.
Akademie als Motor
„Opera Fuoco war 2003 zunächst ein historisch informiertes Projektorchester. Seit 2008 sind wir aber auch eine richtige, regelmäßig auftretende Opernkompagnie, deren Herzstück unser Programm für junge Sänger ist“, wie David Stern die Genese seines Kreativ-Babys erklärt. „Dafür bekommen wir private Spenden von einem Kreis reicher Gönner und werden zudem auf Zeit von verschiedenen Theatern ohne festes Ensemble unterstützt. In Deutschland zum Beispiel sind wir regelmäßig bei den Magdeburger Telemann-Tagen aber auch beim Bonner Beethovenfest zu erleben.“
Das Studio der Opera Fuoco unterrichtet bereits in der 4. Generation. Einige der Teilnehmer wie Sara Hershkowitz, Chantal Santon Jeffery, Natalie Pérez oder Vannina Santoni haben schöne internationale Karrieren gemacht und Preise gewonnen. Und ehemalige Fuoco-Sängerinnen wie Lea Desandre oder Clémentine Margaine stehen heute in der ersten Vokalreihe: „Es ist schön, zu sehen, wie die Saat aufgeht. Wir haben zudem auch mit einer eindrucksvollen Reihe von arrivierten Sängern zusammengearbeitet, darunter Karine Deshayes, Vivica Genaux, Ann Hallenberg, Danielle de Niese, Paul Agnew, Markus Werba und Lisa Larsson.“
Seit 2009 dirigiert David Stern auch verschiedene Sinfonieorchester in China, und seit 2014 leitet er dort das Shanghai Baroque Festival. „Das war immer ein Fest dort aufzutreten, denn es ist interessant zu erleben, wie Menschen aus Fernost auf die europäische Barockoper reagieren. Ich hoffe, bald wieder dorthin reisen zu können.“
Opera Fuoco bringt in normalen Jahren zwei bis drei Produktionen heraus, bietet dem Nachwuchs individuelle Unterstützung, Meisterklassen mit renommierten Pädagogen, auch Weltmusik-Konzerte. Darüber hinaus glaubt David Stern fest daran, für das Opernrepertoire ein neues Publikum anzusprechen und insbesondere die Oper für Kinder zugänglicher zu machen. Die Meisterkurse haben übrigens immer bestimmte Themen (Barock, Belcanto, Rollenspiel, Rezitativkunst), und berühmte Sänger wie Jennifer Larmore, Paul Agnew oder Veronica Cangemi stehen ihnen vor.
„Opera Fuoco“, der Name scheint eine perfekte Wahl, um die Historie und hoffentlich auch die Zukunft dieser Kompanie zu definieren. Dieses internationale, über die Jahre perfekt zusammengewachsene Orchester und das Ensemble junger Sänger machen sich alle Ehre; Sie spielen mit feuriger Hingabe – mit Feuer im Text, Feuer im Drama, Feuer in der Enthüllung der Seele der Musik.

Zuletzt erschienen:

Mayr

„L’amor conjugale“

mit Santon Jeffery, Pérez, Agudelo, Gourdy, Opera Fuoco, Stern

Aparté/hm-Bertus

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Matthias Siehler, 26.03.2022, RONDO Ausgabe 2 / 2022



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