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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Schloss Esterházy (c) Andreas Hafenscher

Esterhazy Stiftungen

Auf Traditionen gebaut

Im Eisenstädter Schloss Esterházy spielt die Musik. Dafür sorgen die aus dem fürstlichen Erbe hervorgegangenen Privatstiftungen.

Wenn’s um Kultur ging, schauten die Fürsten Esterházy im 18. Jahrhundert nicht aufs Geld. Vor allem Musikliebhaber kamen im Eisenstädter Schloss der Familie auf ihre Kosten. Von morgens bis abends wehten hier die herrlichsten Melodien durch die Räume, und solange der Hofkapellmeister guter Dinge war (was meist der Fall war, denn er hatte ein heiteres Gemüt), ging der Nachschub an Sinfonien, Streichquartetten sowie anderen, dringend benötigten Werken nie aus. Joseph Haydn, von 1761 bis 1790 fast 30 Jahre lang in fürstlichen Diensten, spie Kompositionen aus wie ein Vulkan das Feuer. Zum Glück, denn am ehemaligen Residenzort der ungarischen Magnatenfamilie kann man sich noch immer nicht satthören an seiner Musik: Heute wie damals ist Eisenstadt eine Haydn-Stadt, wenn auch unter weniger feudalen Vorzeichen.
„Pro Jahr veranstalten wir selbst etwa 30 Konzerte im Schloss“, sagt An­dreas Richter. Seit acht Jahren ist er für die Esterhazy Stiftungen als Berater in musikalisch-programmatischen Belangen aktiv und weiß daher genau um die wirtschaftlichen Anstrengungen, die ein so aufwendiges Kulturprogramm im Hintergrund erfordern. Hinzu kommen Klassik-Veranstaltungen an weiteren Spielstätten, allen voran dem für Freilichtaufführungen eingerichteten Steinbruch St. Margarethen. „Unser Angebot ist Teil des Stiftungsauftrags: Die Kosten für unsere Veranstaltungen werden im Wesentlichen also selbst ohne Unterstützung der öffentlichen Hand aufgebracht.“ Zwar gibt es die Einnahmen durch Ticketverkäufe, und auch die Tatsache, dass man eigene Räumlichkeiten bespielen kann, sorgt für finanzielle Entspannung. „Wenn man aber, wie im letzten Jahr, wegen Corona nur mit einem Bruchteil der Zuschauer rechnet, überlegt man sich schon zwei Mal, was man machen kann und was nicht.“ Das gilt vor allem für die personell aufwändigen Bühnen-Produktionen, die Jahr für Jahr bei „Oper im Steinbruch“ gezeigt werden. „Durch unsere besondere musikalische Tradition in Eisenstadt haben wir allerdings eine besondere Verantwortung, der sich alle bewusst sind. Die Kultur gehört einfach zu unserem Markenkern, und den tasten wir nicht an.“ Tradition verpflichtet – und Haydn auch.

Ein Herz für Newcomer

Eine feste Konstante im Programm ist schon seit einigen Jahren die Konzertreihe classic.Esterhazy, die rund einmal im Monat hochrangige Musiker aus aller Welt im Haydnsaal präsentiert. Im Sommer finden zusätzlich Picknick-Konzerte statt – eine kulinarische Ergänzung zur musikalischen Kost im märchenhaften Ambiente des Schlossparks. „Natürlich ist das Thema Haydn bei der Programm-Auswahl immer präsent“, sagt Andreas Richter. „Wir achten aber sehr auf Abwechslung, nicht zuletzt sollen sich ja auch die Besonderheiten des Saals darin widerspiegeln.“ In der Tat eignet sich der von Haydn einst so prächtig beschallte Raum für alle nur denkbaren Arten von Musik, sei es ein Liederabend, wie der von Thomas Hampson Ende Mai (mit Werken von Franz Schubert – auch er mit besonderen Beziehungen zu den Fürsten Esterházy), oder solistische Auftritte mit Orchester wie der von Dénes Várjon und Veronika Eberle, die sich als „Gemischtes Doppel“ am 28. Oktober zusammen mit dem Chamber Orchestra of Europe präsentieren. „Dabei möchten wir nicht nur auf die etablierten Stars setzen, sondern auch spannenden Newcomern eine Chance geben“, sagt Andreas Richter. „Und obwohl man denken könnte, dass dieser Saal vor allem für klassisches Repertoire geeignet ist, findet hier immer wieder auch zeitgenössische Musik Gehör.“
Neben classic.Esterházy und der „Oper im Steinbruch“, die dieses Jahr am 13. Juli beginnt und Giuseppe Verdis „Nabucco“ im Programm hat, ist es vor allem das im Schloss Esterházy beheimatete HERBSTGOLD-Festival, das jedes Jahr im Frühherbst große Namen aus der Musikwelt nebst einem begeisterten Publikum von nah und fern an den östlichen Rand des Burgenlandes lockt. Die nächste Ausgabe des Festivals, das seit vergangenem Jahr unter Leitung des Geigers und Dirigenten Julian Rachlin steht, findet vom 11. bis 25. September 2022 statt. Unter dem selbsterklärenden Motto „Leidenschaft“ treten hier Klassik-Granden wie der Pianist András Schiff, der Tenorissimo Juan Diego Flórez oder das schon aufgrund seines Stammrepertoires im Haydn-Gewerbe tätige Quatuor Ébène auf; aber auch Künstler aus anderen Bereichen sind – von Jazz bis Balkan-Sound – in das Programm mit eingebunden, unter ihnen der Hollywoodstar John Malkovich, der am 24. September bei einer musikalisch umrahmten Lesung u. a. mit dem Festivalleiter Julian Rachlin auf der Bühne stehen wird.
Ein besonderer Coup gelang den Esterhazy Stiftungen erst vor wenigen Monaten. Mit dem Chamber Orchestra of Europe wurde im März einer der besten und renommiertesten Klangkörper seiner Art neues Residenzorchester nach einem mehrstufigen Auswahlverfahren, an dem neben Vertretern der Stiftungen auch Musiker und Musikmanager beteiligt waren. Das paneuropäische Ensemble übernimmt die Residenz zunächst für drei Jahre und wird dabei pro Saison mindestens vier Konzerte im Rahmen von classic.Esterhazy und HERBSTGOLD spielen: als nächstes am 14. September mit Julian Rachlin in einem Brahms-, Haydn- und Beethoven-Programm und am 18. September mit András Schiff, wiederum mit Haydn und Bartóks „Divertimento“ für Streichorchester. Sowohl Rachlin als auch Schiff sind dabei als Solist und Dirigent zu erleben.

www.esterhazy.at

Stephan Schwarz-Peters, 04.06.2022, RONDO Ausgabe 3 / 2022



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