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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Elisabeth Teige (Freia), Attilio Glaser (Froh), Christa Mayer (Fricka) (c) Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

Da Capo

Bayreuther Festspiele – Wagner: „Ring des Nibelungen“

Zynische Mini-Serie

Bei den Bayreuther Festspielen, Kultort der Wagner-Pflege ereignet sich, zwei Jahre pandemie-verspätet, die „Ring“-Neudeutung eines unbekannten österreichischen Regisseurs. Valentin Schwarz pfeift radikal auf Geliebtes und Bekanntes, auf Theatertricks und Richard Wagners genialische Musikmanipulation. Bei ihm liegt alles Unglück, und ja, auch das ist gesellschaftsrelevant, in der Familie, hier ein mafiotischer Clan.
Zwei verfeindete Brüder kämpfen gegeneinander, Wotan und Alberich. Bereits als Zwillinge (Wagner lässt das im Dunkeln), exponiert zum Ur-Es-Dur-Vorspiel des „Rheingold“, wenn sie als Embryonen in der Fruchtblase aufeinander einschlagen. Und so endet es auch. Wieder schweben da zwei Föten – noch sind sie friedlich … wie lange?
Der Buhsturm für Valentin Schwarz, er war hart und lang. Denn es gab keinen Ring und kein Gold. Die Wotan-Brut hat schlechte Gene. Kein Wunder. Kinder symbolisieren hier zwar die Macht und die Zukunft. Nie aber geht es in dieser sehr blonden Familie um sie als geliebte Personen, nur um ihren Stellenwert.
Dauernd sind in diesem „Ring“ Kinder und Figuren dort, wo sie nicht hingehören. Andere Kameraperspektiven, Rückblenden, eine über fiktive Jahrzehnte sich entwickelnde, konsequent heutige Optik: Valentin Schwarz ist ein Kind unserer Streaming-Zeit und führt so Regie – mit Cliffhängern, Teasern und etwas zu vielen, weil von weiter hinten schwer erkennbaren Detailpusseligkeiten. „Der Ring“ – die Mini-Serie läuft rasant, zynisch, bitterkomisch und oftmals überraschend ab.
Sängerisch war das durchwachsen, nur der junge Siegfried (Andreas Schager) tenortrompetete gelassen. Für weitgehende Wagner-Wonne sorgte Cornelius Meister. Der zeigte zunächst Handwerk, Koordinierungspräzision, wenig individuelles Aufblitzen. Das wechselte ab dem „Siegfried“. Endlich auf Betriebstemperatur gekommen, klang es aus dem mystischen Abgrund präsent und hell, rhythmisch bewegt, aber auch machtvoll auftrumpfend. Der ideale Soundtrack zu dieser lustvoll sarkastischen, auch verstörenden, sogar berührenden Schwarz-Sichtweise.

Matthias Siehler, 10.09.2022, RONDO Ausgabe 4 / 2022



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