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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Duo Kermani-Gentili (c) Marco Schröder

Duo Kermani-Gentili

Frauenpower

Die niederländische Klarinettistin Kymia Kermani und die italienische Pianistin Alba Gentili-Tedeschi präsentieren eine Entdeckungsreise durch die Welt von Komponistinnen.

Wer im Pariser Musikleben des 19. Jahrhunderts Fuß fassen bzw. Karriere machen wollte, der musste nicht nur reichlich Talent mitbringen. Genauso wichtig war der Kontakt zu den musikalischen Heroen jener Zeit. Clémence de Grandval war so eine Hochbegabte – und gleich dreifach! Sie war nämlich Sängerin, Pianistin und Komponistin. Und in dieser Dreifach-Rolle begeisterte sie bereits in den Teenager-Jahren ihren späteren Lehrer Camille Saint-Saëns. So erinnerte er sich 1910 an seine erste Begegnung mit Mademoiselle: „Es war bei einer musikalischen Matinée bei dem Violinisten de Cuvillon. Sie sang ein wunderbares, von ihr komponiertes Stück, ‚La source‘, und begleitete sich dabei selbst; ich war überwältigt und angetan von ihrem ruhigen und fließenden, reinen Spiel, ohne unnötige Nuancen, das sich so gut mit dem verband, was ich sah.“ Clémence de Grandvals Stern stieg rasant auf. Und bis zu ihrem Tod 1907 war sie in Paris eine Institution.
Heute ist ihr Name hingegen eher denjenigen geläufig, die sich speziell mit der Geschichte von Komponistinnen beschäftigen. Dabei besitzt alleine ihre „Air slave“, mit der das Duo Kermani-Gentili sein Album „Invocation“ eröffnet, mitreißenden Esprit und funkelnde Salon-Atmosphäre. Zusammen mit Grandvals Titelstück „Invocation“ zeigen so die beiden Musikerinnen Kymia Kermani (Klarinette) und Alba Gentili-Tedeschi (Klavier), auf was für Perlen man im riesigen Klangarchiv mit Werken von Komponistinnen stoßen kann.
Diese „Deux pièces“ der französischen Romantikerin bilden somit das passende Entrée zu einer musikalischen Entdeckungsreise von Stücken für Klarinette und Klavier, die allesamt aus der Feder eben von Komponistinnen stammen. Den Bogen schlagen die beiden Musikerinnen vom 19. bis ins 21. Jahrhundert. Wobei es sich – bis auf die Stücke von Grandval – allesamt um Weltersteinspielungen handelt! Da erklingen Stücke etwa von Elisabeth Lutyens (1906–1983), Ursula Mamlok (1923–2016) und Krystyna Moszumańska-Nazar (1924–2008) als ungemein fantasiereiche, ausdrucksstarke Vertreterinnen einer gemäßigten Moderne. Von der Französin und Grandval-Zeitgenossin Mélanie Bonis (1858–1937) sind einige ihrer „Pièces pittoresques et poétiques“ zu hören – die sie zum Teil unter dem (männlichen) Pseudonym „Henry Wladimir Liadoff“ veröffentlicht hat. Und während von der Harald Genzmer-Schülerin Barbara Heller auch eine eher herbere „Mariendistel“ beeindruckt, geht es bei der dritten Französin Francine Aubin jazzig frech bis keck zu.
Ein abwechslungsreiches Programm haben die Niederländerin und die Italienerin zusammengestellt – und damit vielen Komponistinnen wieder eine Stimme gegeben, die bis heute immer noch im Schatten ihrer männlichen Kollegen verharren. Dabei waren „Komponistinnen schon immer Teil der Musiklandschaft und haben den Lauf der Geschichte mitbestimmt“, so die beiden Musikerinnen. Seit 2012 bilden Kymia Kermani und Alba Gentili-Tedeschi ein festes Duo. Und dass man ein großes Faible für Raritäten besitzt, bewies man schon 2018 auf dem Debüt-Album, auf dem gleichermaßen zahlreiche Weltersteinspielungen zu hören waren.
Nun aber feiert man mit „Invocation“ die musikalische Emanzipation vom männerdominierten Klassikbetrieb. Dazu gehören auch zwei Release-Konzerte, bei denen ein brandneues, extra für das Duo komponiertes Stück von Susanne Stelzenbach Weltpremiere feiert.

Weitere Informationen:

www.duo-kermani-gentili.com

Neu erschienen:

De Grandval, Lutyens, Heller u. a.

„Invocation“

Duo Kermani-Gentili

Salto Records International

Release-Konzerte:

2.9. – Konzerthaus Berlin (mit Uraufführung „Distanz & Nähe“ von Susanne Stelzenbach)
7.9. – Laeiszhalle Hamburg

Guido Fischer, 27.08.2022, Online-Artikel



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