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N° 1353
13. - 23.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Startseite · Interview · Blind gehört

(c) Jean-Baptiste Millot

Blind gehört – Enrique Mazzola

„Das ist eine Einladung, Cecilia!“

Enrique Mazzola, geboren 1968 in Barcelona, aufgewachsen in Mailand, ist seit 2021 Chefdirigent der Lyric Opera von Chicago – und ­damit des zweitwichtigsten Opernhauses der USA. Als Conductor in Residence ist er den Bregenzer Festspielen verbunden. Mazzola ­dirigierte auch wesentliche Teile eines großen Meyerbeer-Zyklus an der Deutschen Oper Berlin. Er lebt in Paris und Chicago.

Die Arie kenne ich, mit der Stimme bin ich irgendwie nicht vertraut. Es könnte ein Italiener sein. Ein basso cantabile oder basso cantante, genau wie man das in dieser Rolle der „Sizilianischen Vesper“ braucht. Ich habe das Werk kürzlich dirigiert, bin allerdings, was Aufnahmen anbetrifft, eher unvorbereitet da herangegangen. An der Deutschen Oper ging es auch um die französische, nicht die italienische Fassung wie hier. Also, mal überlegen! Piero Cappuccilli hat die Rolle nicht gesungen. Für Nicolai Ghiaurov klingt mir das nicht slawisch genug. Mit ihm bin ich sogar noch zusammen aufgetreten. Ich sang im Kinderchor von „La bohème“, im Übrigen auch als Knabensopran in „Werther“ und in „Tosca“, alles als Minderjähriger an der Mailänder Scala. – Was, doch Ghiaurov?! Was die Jahre doch ausmachen … Ich hätte ihn nicht erkannt.

Verdi

„I vespri siciliani“ („O patria … O tu, Palermo“)

Ghiaurov, LSO, Abbado

Decca/Universal, 1969

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Das Vorspiel zu Meyerbeers „Le prophète“. Ich würde es weicher dirigieren. Im Übrigen könnten das viele sein. Ich finde es eher unspezifisch. Das Werk war für mich ein Türöffner in Berlin, insofern wichtig. Seit etwa 15 Jahren allerdings höre ich keine Platten mehr. Originalität, glaube ich, muss darin bestehen, allein von den Noten auszugehen, ohne Verpflichtungen gegenüber Vorgängern. Es sollte niemals heißen: Das ist Muti, oder das bin ich. Es muss heißen: Das ist so wie in der Partitur. Bin ich ein bisschen wahrheitsversessen? Na dann!

Meyerbeer

Vorspiel zu „Le prophète“

Royal Philharmonic Orchestra, Lewis

Sony, 1976

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„La Cenerentola“, sehr schön gesungen von der berühmten, zurecht gepriesenen Cecilia Bartoli. Ich habe noch nie mit ihr gearbeitet. Sie ist sehr wählerisch. Dennoch: Ihre Verve, ihre Agilität, Wärme und Artikulation: einfach fantastisch. Und witzig ist sie noch obendrauf. Im großen Haus von Chicago, wo wir das Werk schon gemacht haben, würde ich es eine Spur langsamer nehmen. Und einen halben Grad schwerer besetzen. Das liegt am Raum, der immer berücksichtigt werden muss. Für Bartoli aber, wenn sie nach Chicago käme, würde ich sogar den Graben abdecken, falls es ihr so gefällt. Sie haben richtig gehört: Das ist eine Einladung, Cecilia!

Rossini

La Cenerentola („Una volta c’era un re“)

Bartoli, Orchester des Teatro Comunale di Bologna, Chailly

Decca/Universal, 1992

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„Aida“. Sehr schöne untere und mittlere Lage. Dies ist sehr wichtig, denn die Tiefe vieler Stimmen passt nicht zur Höhe. Das hasse ich. Die Worte kann ich hier kaum verstehen, wie ich zugeben muss. Eine Amerikanerin? Dann wird es wohl die größte sein, die wir aufzubieten haben: The one and only Leontyne Price. Tolles Legato. Perfektes Sostenuto. Ich glaube nicht, dass das out of fashion ist. Die würde noch heute jeder buchen, der nur kann.

Verdi

Aida („Ritorna vincitor!“)

Price, Orchester der Oper Rom, De Fabritiis

RCA/Sony, 1960

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Da klingt zwar kein Glöckchen in mir an. Aber ist das vielleicht Sir Andrew Davis? Er war mein Vorgänger in Chicago. Und ein geborener Operndirigent. Schade, dass er außerhalb der USA nicht den Ruf genießt, den er verdient – auch für sinfonisches Repertoire, wie wir hier hören können. Ich glaube, dass sein Interesse an anderen Systemen begrenzt war. Er hatte in Chicago seinen perfekten Ort gefunden. Warum auch nicht? Ein herrliches, übrigens riesiges Haus. Wer hier hängen bleibt, hat es gut getroffen.

Elgar

„Enigma-Variationen“

BBC Symphony Orchestra, Davis

Warner, 1991

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Das ist weder José Carreras noch Plácido Domingo. Aber die Himmelsrichtung stimmt doch. Alfredo Kraus? Francisco Araiza? Nein, nein!! Die Begleitung kommt mir ein wenig zu schwer vor. Da höre ich zu viel ‚Umtata‘, also genau das, was ich gern vermeiden möchte. Es könnte vielleicht Giacomo Aragall sein, ein ehemals sehr bekannter und ausgezeichneter, inzwischen fast wieder vergessener Tenor aus Katalonien. Die Spitzen klingen ein klein wenig angespannt. Als Knabe bin ich zwar nicht mehr mit Aragall, aber doch mit Alfredo Kraus gemeinsam aufgetreten. Mein Gott! Ein Gentleman, die Fotos habe ich immer noch. Toscanini war mit meinem Urgroßvater befreundet, welcher Kontrabass im Scala-Orchester spielte. Sein Lehrer in Parma muss, wie wir annehmen, noch Verdi ganz gut gekannt haben. Als Musiker stehe ich sozusagen in der vierten Mazzola-Generation.

Donizetti

Lucrezia Borgia („Di pescatore ignobile“)

Aragall, Sutherland, National Philharmonic Orchestra, Bonynge

Decca/Universal, 1977

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Das ist die große Arie der Dinorah aus der gleichnamigen Oper von Giacomo Meyerbeer. Sehr schnell gesungen. Perfekte Intonation, tolle Transparenz des Klangs. Wow! Und das bei dem Alter der Aufnahme. Das ist doch bestimmt eine Schellackplatte aus den ersten Jahren der Schallplattenaufzeichnung. Wer ist das? – Luisa Tetrazzini. Eine Legende. Das eine oder andere Wort verstehe ich nicht, obwohl die Sängerin Italienerin war. Textverständlichkeit war also schon damals nicht unbedingt stark in Mode. Die Schlussnoten würde man heute mit mehr Vibrato singen. Grundsätzlich gibt es solche Stimmen überhaupt nicht mehr. Könnte man sie live hören, ich fiele vermutlich einfach um.

Meyerbeer

Dinorah („Ombra leggera“)

Tetrazzini

Nimbus, 1913

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Das ist unsere Londoner Aufnahme mit Michael Fabiano. Das Stück habe ich mit ihm in Glyndebourne gemacht. Er erinnert hier fast an den Furor eines Mario del Monaco. Weshalb man ihn manchmal für etwas außerhalb der Mode ansieht. Ich finde ihn großartig, wir sind gute Freunde und er ist regelmäßiger Gast bei uns. Interessant, dass die virilsten Sänger, wozu ich Michael Fabiano zählen würde, heute im Lager der offen queeren Tenöre zu finden sind. Eigentlich kurios. Die Ideale der Männlichkeit, wenn ich das ironisch mal so sagen darf, überleben dort, wo man sie den Männern früher absprach. Ein superseriöser, ganz toller Sänger.

Verdi

Luisa Miller („Oh! Fede negar potessi … Quando le sere al placido“)

Fabiano, LPO, Mazzola

Pentatone/Naxos, 2018

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Zuletzt erschienen:

Puccini

„Madama Butterfly“ (Bregenzer Festspiele)

Ismatullaeva, Stroppa u. a., Wiener Symphoniker, Mazzola

C-Major/Naxos, DVD/Blu-ray

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Robert Fraunholzer, 15.10.2022, RONDO Ausgabe 5 / 2022



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