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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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(c) Falk von Traubenberg

Da Capo

Bayreuth, Markgräfliches Opernhaus – Vinci: „Alessandro nell’Indie“

Gurr-Kaskaden und Gummibusen

In Bayreuth gilt seit drei Jahren „nach dem Festspiel ist vor dem Festspiel“. Ist oben die Wagnerei vorbei, werden unten, im Markgräflichen Opernhaus, für „Bayreuth Baroque“ Darmsaiten gespannt und Naturhörner warmgeblasen. Vor allem aber werden Countertenöre fit gemacht.
Denn Intendant Max Emanuel Cenčić versammelt für sein neues Festival gern seinesgleichen. Hier kreischen Farben und quietschen Gummibusen, als fahrbare Untersätze werden ein güldener Phallus und ebenso solche Elefanten, Kamele und Pferde für die benevolente Belcanto-Battle aufgeboten. „Alessandro nell’Indie“ von Leonardo Vinci stellt dem wenig heroischen Griechenkämpfer Alexander dem Großen den verheulten indischen König Poro, vor allem aber dessen Schwester und eine benachbarte Königin als Eifersuchtsschlangen gegenüber.
Dieses „dramma per musica“ stellte bereits in der Barockzeit Geschlechterverhältnisse wie Machtpositionen satirisch auf den Kopf. Hier ist alles Stimmgold, was glänzt, freilich sind die Frauen falsch. Denn die Oper wurde für Rom komponiert, wo damals keine Frau auf der Bühne singen durfte, nur die Kastratenfavoriten der diversen Kleriker.
Deshalb steht die einzige Gebärmutterbesitzerin als Dirigentin ihren Mann: Martyna Pastuszka führt ihr {oh!} Orkiestra mit zupackender Lautleise-Musikdramaturgie. Cenčić setzt Alexander mit dem extravaganten Britenkönig Georg IV. gleich; was Maayan Licht in schmucker Regency-Klamotte mit geläufiger Gurgel vollführt. So mischen sich Pseudoindien-Ambiente à la Royal Pavilion in Brighton mit kolonialistischen Exotismusfantasien.
Das gerät nie zur allein üppig-albernen Tuntenshow, die Regie drückt geschickt auf die Amüsierbremse. Der kerlige Countertenor Jake Arditti feuert als bitchige Erissena falsche divenhafte Tonleuchtraketen ab. Darin überboten wird er nur von der fast perfekten Frau, dem brasilianischen Sopranisten Bruno de Sá als machtmanipulativer Cleofide. Und der dauerextrovertierte Franco Fagioli ist als Poro nicht nur eine indische Carmen Miranda mit Tuttifrutti-Turban. Der säuselt glaubhaft verzweifelt mit sanften Gurrkaskaden, beherrscht ebenso das Arsenal der großen Fioriturengeschütze.

Matthias Siehler, 22.10.2022, RONDO Ausgabe 5 / 2022



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