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Wenn es einen Sänger gab, der die Liedkunst nicht einfach prägte, sondern auf Jahrzehnte hinweg geradezu exklusiv verkörperte, dann war es Dietrich Fischer-Dieskau. Als „Monopol-Interpreten“ hat ihn daher auch einmal Ulrich Schreiber bezeichnet. Tatsächlich ist bis heute kein Zweiter alleine an die Masse an Liedern herangekommen, die der Berliner Bariton im Repertoire hatte: sage und schreibe 3000 Lieder von mehr als 100 Komponisten sollen es gewesen sein. Und da Fischer-Dieskaus Karriere quasi parallel mit der florierenden Tonträger-Industrie begann, wurde er rasch zum Schallplatten-Star. Den Löwenanteil seiner Aufnahmeaktivitäten kann nun ein prominenter Label-Verbund mit einer schwergewichtigen Box präsentieren. Denn auf über hundert CDs sind sämtliche Einspielungen versammelt, die der Liedsänger zwischen 1949 und 2003 für die Deutsche Grammophon, für Philips und die Decca gemacht hat. Darunter finden sich die Kompletteinspielungen der Schubert-, Schumann- und Brahms-Lieder. Gleich vier „Winterreisen“ (u. a. mit Alfred Brendel bzw. Daniel Barenboim am Klavier) garantieren einen faszinierenden Interpretationsvergleich von einem Zyklus, den Fischer-Dieskau so oft wie keinen anderen gesungen hat. Hinzu kommen Lieder von Beethoven und Mahler, aber auch von Charles Ives, der Zweiten Wiener Schule und Gottfried von Einem, die seine Offenheit für die Moderne unterstreichen. Und auch wenn Fischer-Dieskaus Stil heute etwas außer Mode geraten erscheint, seine Mischung aus Manierismus und titangleicher Ausdrucksgröße – diese anlässlich seines 10. Todestags veröffentlichte Box steht für singuläre Interpretations- und Aufnahmegeschichte.
Guido Fischer, 05.11.2022, RONDO Ausgabe 5 / 2022
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