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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Alois Mühlbacher (c) Alexander Eder

Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Sänger Alois Mühlbacher, früher spektakulärer Knabensopran der St. Florianer Sängerknaben, wollte den Wechsel zum Countertenor, der er heute ist, gerade vermeiden. „Ich wäre alles lieber geworden, nur kein Countertenor“, so Mühlbacher an seinem Wohnort Hinterstoder (im oberösterreichischen Traunviertel). „Beim Stimmbruch hatte ich plötzlich unglaubliche Angst, alles zu verlieren, was ich konnte. Also habe ich ständig weitergesungen.“ Auf diese Weise habe er „das Gegenteil von dem erreicht“, was er wollte: „die Erhaltung der hohen Töne“.

Komponist Aribert Reimann, der im letzten Jahr eine schwere gesundheitliche Krise zu bestehen hatte, weiß genau was ihm fehlt: „Auslauf! Woran im Augenblick gar nicht zu denken ist ...“ Nach gravierenden Herzproblemen musste Reimann „neu laufen lernen“, so der Komponist in seiner Heimatstadt Berlin. Normalerweise gehe er nach dem Komponieren gern nachts im Wald stundenlang spazieren. „Was ich dagegen nicht brauche“, so Reimann lakonisch, „ist Musik“. – Aktuell komponiert er wieder.

Wagner-Bariton Wolfgang Brendel, der im Oktober 75 wird, ist stolz darauf, auch Wagner- und Strauss-Rollen „mit italienischer Technik“ gesungen zu haben. „Wagner hasste keineswegs die italienischen Komponisten, sondern nur deren Erfolg“, so Brendel im amerikanischen Bloomington, wo er seit elf Jahren eine Gesangsprofessur hat. Lange Jahre war er ein prägender Sänger der Bayerischen Staatsoper. „Mit Wolfgang Sawallisch, Günther Rennert und August Everding konnte ich sehr gut. Nur Peter Jonas wollte nichts mehr von mir wissen.“ Brendel tritt noch gelegentlich auf. „Man singt nicht mit den Stimmbändern, sondern mit dem ganzen Körper“, fasst er seinen Ansatz zusammen. „Lass den Körper die Arbeit tun!“, das sei seine ganzheitliche Devise.

Schauspielerin Ilse Ritter – eine der Widmungsträgerinnen von Thomas Bernhards Stück „Ritter, Dene, Voss“ – glaubt, dass alle Schauspieler auch Musiker sind. „Das haben wir bei Bernhard gelernt. Wir musizieren, hören auf andere, nehmen Töne auf.“ Kennengelernt habe sie den Autor erst bei der Wiederaufnahme in Wien. „Er hatte mich in Köln in einer Aufführung seines Stückes ‚Am Ziel‘ gesehen. Ich spielte nur die Tochter, fast ohne Text. Also überlegte ich mir, wie ich das mache. Und stotterte.“ Schon mit sieben Jahren habe sie sich ans Klavier gesetzt. „Und habe es nie mehr aufgegeben. Mein eigentliches Debüt fand im selben Alter statt“, so Ritter, „im Weihnachtsmärchen: als Esel.“

Cellist Eckart Runge, bis 2019 Cellist des legendären Artemis Quartetts, bedauert die Auflösung der Formation. „Ich fand und finde es immer noch schade und sehr bedauerlich. Es lag nicht in meiner Macht“, so Runge in Berlin. Er wisse, „wie fragil“ solche Quartette im Allgemeinen sind. „Dennoch hatte ich es nicht erwartet.“ Schon zuvor war das Quartett durch Umbesetzungen immer wieder erschüttert worden. Der Bratscher Friedemann Weigle hatte sich 2015 in Folge einer bipolaren Depression das Leben genommen. Unerwartet kam das, so Runge, „obwohl das Thema seiner Erkrankung für uns omnipräsent war. Ich hatte kurz vor seinem Tod noch mit ihm telefoniert. Die Akkus waren leer. In späten Aufnahmen kann ich das Manische und all das hören.“

Alte Musik-Pionier Sigiswald Kuijken, dessen Ensemble La Petite Bande in diesem Jahr 50 wird, ist sich bewusst, dass er so etwas wie der „belgische Pate der Barockmusik“ ist. „Nahezu alle belgischen Musiker der Alten Musik sind von uns mehr oder weniger beeinflusst worden, auch René Jacobs“, so Kuijken in seinem Wohnhaus im Beginenhof des westflämischen Kortrijk. „Es wurde noch intensiver, als ich auf Betreiben von Frans Brüggen eine Professur in Den Haag übernahm, und dort viele Schüler hatte.“ Der Ruf eines Vito Corleone der Alten Musik störe ihn nicht. „Lass die Leute nur reden ...!“, so Kuijken. „Wir sind übrigens sehr friedlich und blicken auf keinerlei Strafregister zurück.“

Robert Fraunholzer, 05.11.2022, RONDO Ausgabe 5 / 2022



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