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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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(c) Gérard Uféras

Julie Fuchs

Mozarts Musen

Bei ihrem neuen Label kann sich die Sopranistin zum Einstand nun einen Herzenswunsch erfüllen: Ein ganzes Album mit Mozart-Arien.

Julie Fuchs, in Avignon aufgewachsene Tochter eines Managers und einer Schwimmlehrerin, ist heute eine der strahlendsten französischen Sopranistinnen. Ein paar Jahre gehörte sie dem Ensemble des Opernhauses Zürich an, seit 2015 führt sie ihre Karriere als freiberufliche Sängerin mit Schwerpunkten auf Mozart und Belcanto auch international fort.
Nach zwei eher französisch zentrierten CDs („Yes!“ und „Mademoiselle“) bei ihrem ersten Label hat sie nun einen Wechsel vollzogen. „Für meinen Geschmack gab es bei deren französischer Abteilung viel zu viele Personalwechsel, so möchte ich nicht arbeiten“, stellt sie ziemlich offen klar. „Ich möchte mit Menschen, mit Partnern arbeiten, nicht mit Labels. Außerdem wollte man dort keinen Mozart von mir“.
„Amadè“ heißt nun also das jüngste Solo-Album. Und präsentiert schon im Titel Mozart, mit diesem Namen seine Korrespondenz ausschließlich privat unterzeichnend, als den feinen, zarten Frauenfreund, der sich komponierend in deren feinst verästelte Gefühlsregungen einfühlen konnte. Diesen Sommer hat Julie Fuchs Rossini in Pesaro gesungen, im Sommer zuvor Mozarts Susanna in Aix-en-Provence. Sie erinnert sich: „Ich mochte es, mit der Regisseurin Lotte de Beer zu arbeiten, wie sie Susanna sah, sie war sehr nahe am Charakter. Lotte ist clever und dynamisch, ich mochte es. Es war freilich schwer, die viel melancholischere zweite Hälfte zu verkörpern, da kamen allerdings Thomas Hengelbrock und ich uns künstlerisch sehr nahe. Und sagten am Ende der Spielserie, wir müssen unbedingt mit Mozart weitermachen. Toll, dass sich das so schnell realisieren ließ! Ich hätte nie gedacht, dass er bei seinen vielen Plänen mit dem Balthasar-Neumann-Orchester Zeit für ein Rezital hätte. So ist es wunderbar, nun dieses gemeinsame Alben-Baby zu haben.“
Denn Julie Fuchs hatte sich schnell in den Klang dieses Orchesters verliebt und eine musikalische Seelenverwandtschaft zu Hengelbrock entwickelt: „Ihm ist die Musik wichtig und eben auch das Theater, das ist eine tolle Symbiose, die schon sehr besonders war. Es liegt aber auch daran, dass mit Thomas kein Boss kommt, der uns sagt, wie wir es machen müssen, sondern einer, der uns auf eine gemeinsame Entdeckungsreise einlädt. Und er ist am allerneugierigsten, will unermüdlich weitere Variationen, Temporückungen oder Verzierungen ausprobieren. Am Ende war es dann immer Teamwork, geformt aus einer Vielzahl von Vorschlägen.“

Kreative Seelenverwandtschaft

Ja, sie möchte bei Mozart weiter auf eine Reise mitgenommen werden, so wie es nun auch auf diesem Album geschehen ist. „Wir hatten schon in Aix an Susannas Arie viel ausprobiert, vor allem ein wirkliches Andante-Tempo, und das kam dann natürlich auch der Aufnahme zu Gute, wo wir das noch einmal vertiefen konnten. Wir wollten es frisch und aktiv behalten, gleichzeitig sollte es sehr verführerisch und erotisch wirken. Ich finde das gelungen. Mir kam als erstes Bild vor Augen, dass es ist, als wenn man mit jemand sehr Vertrautem Liebe macht, und trotzdem nicht weiß, was im nächsten Moment passieren wird. Es fühlte sich dabei sehr natürlich an, wir ließen es laufen. Das war magisch, weil wir alle in diesem entspannten, offenen Prozess einfach weitergemacht haben.“
Julie Fuchs hat bei „Amadè“ mit Pedro Beriso gearbeitet, der Musikologe, Pianist, Dirigent, aber eben auch musikalischer Berater ist, ganz besonders für Mozart. Da gab es ein Fundament an Arien, das sie unbedingt haben wollte, und mit Hengelbrock war klar, dass „Le nozze di Figaro“ eine Art dramaturgisches Skelett bilden sollte. Deswegen gibt es gleich zum Anfang die möglicherweise gar nicht so unschuldsvoll verzweifelte Barbarina-Arie. Und am Ende die Gräfinnen-Arie in der späteren, verzierteren Version für Caterina Cavalieri.
„Cavalieri, die Geliebte Salieris, deren Stimme wohl meiner ähnelte, war ja auch seine geläufige Konstanzen-Gurgel, von der ich eine ‚Entführung‘-Arie auf dem Album habe. Genauso wie Anna Gottlieb, damals 13, nicht nur Mozarts Barbarina, sondern drei Jahre später auch seine erste Pamina in der ‚Zauberflöte‘ war. Ich finde, man hört solche Bezüge auch in der Musik, die er für sie komponiert hat, da war Mozart ja immer sehr sensitiv.“
Neben Barbarina, Susanna und Gräfin wollte Julie Fuchs eigentlich auch noch die Marcellina aus „Le nozze“ mit aufnehmen, denn in ihr spiegelt sich in einer weiteren Facette Mozarts Frauenbild, aber es war einfach kein Platz mehr: „Denn die thematische Linie schließt auch Mozarts Inter­pretinnen mit ein, und als weitere heim­liche Hauptperson kommt deshalb die wundervolle Nancy Storace, die ich gern einmal kennengelernt hätte, mit auf das Album. Die war eben nicht nur seine erste Susanna, sondern für sie hat er auch, zu ihrem Abschied aus Wien, eine seiner schönste Konzertarien geschrieben, ‚Non temer, amato bene‘ mit dem obligaten, so gefühlvoll schmiegsamen Klavier, wo ich immer darüber nachsinnen muss, ob die nicht womöglich doch mal was hatten. Die Musik jedenfalls suggeriert es.
Und dann gab es da noch diese lustige kleine Kantate, die Mozart, Salieri und vermutlich Nancys Bruder unter Pseudonym für ihre Genesung nach längerer Krankheit komponiert haben. Von deren Existenz wusste man zwar, aber man hielt Musik wie Text verloren, bis sie 2018 wiedergefunden wurde. Den Mozart-Teil in der Orchestrierung von Beriso habe ich nun erstmals eingespielt.
Wegen der Balance sollten auch leichte, feine, kleine instrumentale Übergänge, Tänze vielleicht, das Album gliedern und bereichern. Als Brücken, um die Atmosphäre zu ändern – so wie ein akustisches Bühnenbild. Da waren wiederum Beriso und der Cembalist Andreas Küppers eine große Hilfe.“
Julie Fuchs’ befriedigendes Fazit über ihr neues Album: „Ich habe jetzt verstanden, wie glücklich Mozart über diese Sängerinnen sein konnte, die seine Kunst so wunderbar angeregt und kreativ sublimiert haben.“

Neu erschienen:

Mozart

„Amadè“

Julie Fuchs, Balthasar-Neumann­-Orchester, Thomas Hengelbrock

Sony

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Matthias Siehler, 26.11.2022, RONDO Ausgabe 6 / 2022



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