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Wer sich im 19. Jahrhundert an eine Sinfonie heranwagte, der musste erst einmal mit Ludwig van Beethoven und seinem Sinfonie-Korpus fertig werden. Berühmt ist daher auch der Ausspruch von Johannes Brahms, der bekannte, wohl nie eine Sinfonie komponieren zu können, weil er ständig den Riesen Beethoven „hinter sich marschieren hört.“ Bekanntlich konnte Brahms dem Tapsen des Riesen entfliehen – mit immerhin vier Sinfonien. Heute gehören sie zu den meistgespielten und zugleich von der Musikwissenschaft nahezu lückenlos durchleuchteten Gattungsbeiträgen. Doch während seiner Tiefenbeschäftigung mit den Sinfonien ist der Dirigent, Komponist und Musiktheorie-Professor Johannes Schild auf bislang wenig beachtete Seitenwege und Spuren gestoßen, die durchaus ein neues Licht auf diese Werke werfen. Bereits das im Titel zitierte Credo „In meinen Tönen spreche ich“, das Brahms 1868 gegenüber Clara Schumann äußerte, deutet an, dass der Komponist seine Sinfonien nicht etwa als „tönend bewegte Formen“ (Hanslick), als absolute Musik konzipiert hat. Tatsächlich hat der Fährtensucher Schild zahllose außermusikalische Einflüsse entdecken können, die Brahms’ Musik durchaus einen gewissen Botschaftscharakter verleihen. So weist Schild auf die prägenden literarischen Stoffe und Motive etwa von Eichendorff, Hölderlin und Lord Byron hin. Und so schlagen die vier Sinfonien auch einen Lebensbogen, der von „byronesken Liebesnöten“ in der 1. Sinfonie bis hin zur „nüchternpathetischen Lebensbilanz der Vierten“ reicht. Eine spannende Neubetrachtung dieser Repertoire-Klassiker ist das – die außerdem das Verhältnis zwischen Brahms und Wagner geraderückt.
Guido Fischer, 17.12.2022, RONDO Ausgabe 6 / 2022
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