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(c) Oliver Killig
Es existiert eine Lithografie aus dem Jahr 1873, auf der eine der bedeutsamsten Begegnungen in der Musikgeschichte festgehalten wurde. Zu sehen ist Ludwig van Beethoven, wie er dem Wunderknaben Franz Liszt nach einem kleinen Konzert den höchsten denkbaren Ritterschlag verleiht – in Form eines Kusses auf die Stirn. Eine schöne Geschichte. Die aber nur der Fantasie entsprungen ist, wie man längst weiß. Die Verbundenheit zwischen diesen beiden Komponisten ist hingegen von Liszt musikalisch verbrieft, nicht umsonst hat er Beethovens Sinfonien allesamt für Klavier eingerichtet. Diese Transkriptionen bilden nun das Herzstück des Mini-Festivals „TASTENSPIELE“, das die diesjährigen Dresdner Musikfestspiele ziert. „Alle Neune“ von Beethoven präsentiert dabei der französisch-kanadische Weltklassepianist Louis Lortie mit Solisten aus seiner Klavierklasse.
Dieser Klavierschwerpunkt, der zudem u.a. von Emanuel Ax, Mikhail Pletnev sowie dem Jazzpianisten Michael Wollny facetten- und farbenreich mit Leben erfüllt wird, passt denn auch perfekt zum Motto „SCHWARZWEISS“ der 46. Ausgabe der Dresdner Musikfestspiele. Denn wie bei den schwarzen und weißen Klaviertasten kommt es ebenfalls bei all den Orchester-, Kammer- und Jazzkonzerten immer auf Nuancen an. „Die Idee zum Motto kam mir bei der Lektüre von Leo Tolstois ‚Krieg und Frieden‘“, verrät Festival-Intendant Jan Vogler. „Der große Schriftsteller malt in seinem Buch ein Tableau der Kontraste zwischen Kultur und Barbarei, Licht und Schatten, Freude und Trauer – und natürlich zwischen Krieg und Frieden. Das Motto provoziert, denn ohne Zwischentöne, ohne Miteinander und Kompromisse ist kein Zusammenleben möglich.“
Ingesamt 63 Veranstaltungen stehen diesmal auf dem Programm. Wobei es zu spannungsvollen Kontrasten auch der unterschiedlichsten Genres kommt. So gibt es in der Reihe „ORIGINALKLANG“ Beethovens „Missa solemnis“ mit der Alte-Musik-Legende Jordi Savall genauso wie einen Auftritt des Dresdner Barockorchesters mit einer Hommage an den Flötenkönig Johann Joachim Quantz (250. Todestag). Unter den Solisten finden sich solche gegensätzlichen Violin-Persönlichkeiten wie Anne-Sophie Mutter und David Garrett. Stimmen-Fans kommen hingegen bei außergewöhnlichen Projekten von Joyce DiDonato sowie Anna Prohaska auf ihre Kosten. Während die Amerikanerin mit dem Ensemble Il Pomo d’Oro den Garten Eden besucht, widmet sich die Österreicherin mit Schauspieler Lars Eidinger Shakespeares „Hamlet“.
Zu den weiteren Highlights gehört aber nicht nur Wagners „Das Rheingold“, das Kent Nagano mit Musikern des Dresdner Festspielorchesters und von Concerto Köln konzertant aufführt. Bevor Trompeter Wynton Marsalis mit seinem Jazz at Lincoln Center Orchestra die Heroen des Jazz, von Duke Ellington bis Dizzy Gillespie feiert, bringt Jan Vogler mit Nagano ein lang erwartetes und weltumspannendes Auftragswerk zur Aufführung. Es ist Sean Shepherds „An einem klaren Tag – On A Clear Day“ für Violoncello, Chöre und Orchester. Und auch dieses neue Werk kommt genau betrachtet alles andere als schwarzweiß daher.
Guido Fischer, 25.03.2023, RONDO Ausgabe 2 / 2023
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