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Das 20. Jahrhundert war bekanntlich mit Heerscharen großer Violinisten gesegnet. Und weil man nicht alle gleichzeitig bewundern konnte, wurden selbst solche Ausnahmemusiker wie Christian Ferras schon mal in die zweite Reihe verbannt. Was völlig unverständlich ist, wenn man sich näher einer CD-Box widmet, die sämtliche Aufnahmen des Franzosen für die Deutsche Grammophon und die Decca vereint. Und alle Vor- und Fehlurteile, die schon zu Ferras’ Lebzeiten sein Spiel begleiteten (er starb 1982 mit gerade einmal 49 Jahren in Paris), lösen sich schon nach den ersten Höreindrücken in Luft auf. Denn dass Ferras’ Ton ein eher unscheinbar schmächtiger gewesen sein soll, kann man nun ganz bestimmt nicht behaupten – angesichts einer wohldosierten Mischung aus Espressivo und Eleganz, aus Intensität und Noblesse, mit der Ferras nicht sich, sondern stets das Werk in den Vordergrund stellte. Daher fehlt es etwa auch den französischen Sonaten-Klassikern von Franck, Fauré und Debussy an einlullendem Parfüm und den Schumann-Violinsonaten an romantischer Gefühlsduselei. Bei diesen Kammermusikaufnahmen hatte Ferras in dem Pianisten Pierre Barbizet oft einen kongenialen Partner bzw. Seelenverwandten an der Seite. Und bei den Einspielungen etwa der Violinkonzerte von Tschaikowski und Sibelius bildete Ferras ein ähnlich harmonisches Team mit Herbert von Karajan. Von den ganz frühen Aufnahmen aus der 78er-Ära bis hin zu einem 1971 in Japan aufgenommenen, kaum bekannten Recital begegnet man so einem Musiker, dem ein Platz in der ersten Reihe gebührt.
Guido Fischer, 15.04.2023, RONDO Ausgabe 2 / 2023
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