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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Ein Genie im Gen-Check: Fünf der acht untersuchten Locken Ludwig van Beethovens stammen wirklich vom Komponisten © Anthi Tiliakou

Pasticcio

Ludwig van Beethoven – teilweise entschlüsselt

Es gab zahlreiche Komponisten, die gerne mal und dabei reichlich tief ins Glas geguckt haben. Modest Mussorgski und besonders Alexander Glasunow berauschten sich an Hochprozentigem. Von Johann Sebastian Bachs jüngstem Sohn Johann Christian sagte man, dass er keine Note ohne Alkohol schreiben könne. Und Jean Sibelius war sich sicher: „Der Alkohol ist der einzige Freund, der einen nicht verlässt.“ Zu diesen Genussmenschen und Trinkern gehörte bekanntlich auch Ludwig van Beethoven. Bis zu seinem letzten Atemzug verschmähte er keinen guten Tropfen. So soll er noch an seinem Todestag ein Weinpräsent mit 12 Flaschen Rüdesheimer Bergwein mit den Worten quittiert haben: „Schade, schade – zu spät“. Dass Beethoven also gerne mal ein, zwei, drei Gläschen getrunken hat, haben nicht nur Zeitgenossen bezeugt, sondern auch die nach seinem Tod festgestellte „dekompensierte Leberzirrhose“.
Nun sind solche Diagnosen rückblickend nicht immer der medizinischen Weisheit letzter Schluss. Schließlich hat sich seitdem in den Laboren einiges getan. Zwar brauchte es einige Zeit, um das Genom Beethovens anhand einiger Haarproben zu entschlüsseln. Aber nun hat es ein internationales Forscherteam geschafft, dem u.a. die Universität Cambridge, das Beethoven Center San Jose, das Universitätsklinikum Bonn und das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie angehörten. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift „Current Biology“ veröffentlicht. Die Studie zeigt, dass Beethoven eine genetische Veranlagung für Lebererkrankungen hatte und bestätigte, dass er mit Hepatitis B infiziert war. Die Forscher vermuten, dass diese Infektion eine Mitursache der schweren Lebererkrankung war – im Zusammenspiel mit seinem Alkoholkonsum und seiner genetischen Veranlagung. Für seine mit 25 Jahren aufkommende Taubheit fanden sich hingegen keine genetischen Ursachen.
Darüber hinaus ergab der Vergleich von Beethovens Erbgut mit dem heute lebender Verwandter Hinweise auf eine außereheliche Beziehung in Beethovens väterlicher Linie – ein Schock für die aktuell 145 Nachkommen der einzigen noch existierenden belgischen Beethoven-Linie, die damit die Verwandtschaft mit dem berühmten Komponisten verlieren. Denn die Studie legt nahe, dass dieses Ereignis in der direkten väterlichen Linie zwischen der Zeugung von Hendrik van Beethoven im belgischen Kampenhout um 1572 und der Zeugung von Ludwig van Beethoven sieben Generationen später in Bonn stattgefunden hat. Obwohl zuvor Zweifel an der tatsächlichen Herkunft von Beethovens Vater geäußert worden waren, weil es für ihn keinen Taufeintrag gab, konnten die Forscher jedoch nicht dingfest machen, in welcher Generation dieses Ereignis stattfand. Tristan Begg von der Universität Cambridge: „Indem wir Beethovens Genom der Öffentlichkeit zugänglich machen und es uns zukünftig vielleicht gelingen wird, der ursprünglichen chronologischen Abfolge weitere authentische Haarproben hinzuzufügen, hoffen wir, eines Tages die noch offenen Fragen zu Beethovens Krankheiten und Genealogie beantworten zu können.“
Wer übrigens dazu Näheres erfahren will, der hat dazu am 28. März Gelegenheit. Im Universitätsclub Bonn besprechen ab 19 Uhr u.a. Humangenetiker sowie Malte Boecker vom Beethoven-Hauses Bonn das Thema „Das Genom Ludwig van Beethovens – eine Quelle der Erkenntnis?“

Guido Fischer



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