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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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(c) Felix Broede

María Dueñas

Wachsen an der Vielfalt

Die muss man sich merken: Mit der erst 20-jährigen Spanierin María Dueñas geht ein großes, interessantes Talent an den Start für das Gelblabel.

Sie ist erst zwanzig Jahre alt. Aber sie spielt bereits sicher und ausdrucksvoll, sinnfällig und überraschend wie ein Profi. María Dueñas, geboren in Granada, schon auf dem dortigen renommierten Musikfest in der Alhambra vorgestellt, hat sich schnell vorangearbeitet, als Solistin, Kammermusikerin und sogar Komponistin. Mit dieser taffen Spanierin haben, in der Gefolgschaft von Anne-Sophie Mutter, die glänzenden Geigen-Girlies der Jahrtausendwende, die inzwischen längst schon reife Frauen sind, Nachwuchs bekommen. Dueñas geht gleich aufs Ganze: mit dem Beethoven-Konzert als Auftakt-Aufnahme in einer bewusst traditionellen, langsam ausgekosteten, doch spannenden Interpretation, die Überraschungen bietet.
„Für mich als Künstlerin war es wichtig, meinen Beruf von verschiedenen Perspektiven zu erfahren“, sagt sie über ihren Werdegang. „In Granada bin ich als Siebenjährige auf das Konservatorium gegangen. Ich bin aber neugierig, wollte andere Kulturen kennenlernen, und bekam ein Stipendium für ein europäisches Auslandsstudium. Ich habe Dresden gewählt, was natürlich toll war, an der Wiege der europäischen Klassik. Es war aber auch anstrengend als junge Spanierin in Deutschland. Doch hat es mich stark für meine Karriere gemacht und bereichert. Nach zwei Jahren war der Wechsel nach Wien fast eine natürliche Folge.“
So hat sie Deutsch gelernt, wobei ihr sächsischer Akzent inzwischen Wiener Zungenschlag gewichen ist. Auch ihre Familie ist inzwischen nach Österreich übersiedelt. Mit dem ebenfalls aus Granada stammenden Dirigenten Pablo Heras-Casado ist sie hingegen noch nicht aufgetreten. Über den heute als Putin-Verehrer geschassten einstigen Stargeiger Vladimir Spivakov wurde María Dueñas nach Wien empfohlen – ausgerechnet zum Ukrainer Boris Kuschnir, der als einer der besten Lehrer der Welt gilt. Über Politik mag die junge Künstlerin freilich – noch – nicht reden, sie bewegt sich verständlicherweise lieber auf sicherem Geigenterrain.
„Mit Professor Kuschnir habe ich ein wunderbares Verhältnis“ erzählt sie weiter, „und in Wien sauge ich die musikalische Tradition der Stadt ein. Das hat mir gerade mental für meine Beethoven-Einspielung sehr geholfen. Im Musikverein zu spielen, das war ein Traum, seit ich das Neujahrskonzert als kleines Mädchen im Fernsehen verfolgt haben. Mein erstes Konzert dort fand mit 15 Jahren statt, aber die erste Musikverein-Einladung war diesen Januar mit dem jetzt veröffentlichten Beethoven-Konzert.“
Souverän führt María Dueñas ihre Profikarriere, aber genauso gern ist sie weiterhin Lernende: „Das balanciert mich aus, gerade die Theoriestunden an der Uni, denn ich mache gerade meinen Bachelor. Ich habe zwei Leben: hier die junge Studentin, da die reisende Künstlerin. Das geht jetzt etwa vier Jahre so.“
Zum Glück hat sie immer gerne Wettbewerbe gespielt, das Lernen, die technische Vorbereitung in kurzer Zeit, das Sichvergleichen liegen ihr: „Ich bin ein Typ, der unter Druck, Terminen, Öffentlichkeit, gut funktioniert. Ich mag Herausforderungen und stelle mir Ziele. Das ist eine Motivation.“
Mit Manfred Honeck, der ja auch ein erklärter Mutter-Lieblingsdirigent ist, kommt sie bestens klar, beide haben schon öfters zusammengearbeitet. Er war einer der ersten, der sie unterstützt, nach Pittsburgh und Oslo eingeladen hat. Sie haben auch das Beethoven-Konzert schon mehrmals gespielt. „Da ist viel Vertrauen im Spiel, denn ich schätze auch seine menschlichen Qualitäten sehr. Und für die Aufnahme ist er natürlich als Österreicher eine perfekte Kombination.“

Punktlandung mit Anlauf

Der Beethoven hatte eine lange Anlaufzeit. „Ich sollte schon 2020 mit Marek Janowski in Dresden dieses Konzert spielen“, holt María Dueñas aus. „Durch die Pandemie hat es sich um ein Jahr verschoben. Da waren dann Mitarbeiter des Labels dabei, die mir hinterher angeboten haben, genau dieses Konzert für diese traditionsreiche Firma aufzunehmen. Da musste ich erstmal durchatmen. Dieses Werk markiert wichtige Momente in meiner Karriere, ich wollte es unbedingt aufnehmen, schon weil ich dafür extra Kadenzen geschrieben, etwas Persönliches von mir gegeben habe.“
„Beyond Beethoven“ heißt das Doppel-Album, welches wie in einem Kaleidoskop die Kadenzen von Louis Spohr, Eugène Ysaÿe, Camille Saint-Saëns, Henrik Wieniawski und Georg Kreisler zur Wahl stellt sowie kleinere Geige-Orchester Stücke von diesen miteinbezieht.
María Dueñas erklärt sich: „Im Austausch sind wir auf diese Idee gekommen. Ich habe als junge Musikerin die Verantwortung, nach neuem Repertoire zu suchen und es für das Publikum zu entdecken. Diese Kadenzen, von denen es natürlich noch viel mehr gibt, sind so ein Beethoven-Seitenstrang. Ich habe diese fünf danach ausgewählt, ob es von diesen Komponisten zusätzlich ein Geige-Orchesterstück gibt, wenn möglich, nicht so bekannt, das man neben die isolierte Kadenz stellen kann und das – als Vervollständigung des Albums – etwas über deren Klangwelt erzählen kann. Das hat es bisher nicht gegeben.“
Sie selbst hat auch das Komponieren ganz zwanglos entdeckt, mit elf Jahren, mit Kadenzen für das ersten Mozart-Konzert, dem folgten die anderen vier, Beethoven, kürzlich auch Brahms. „Ich habe auch ein Klavierstück veröffentlicht, zu dem es sogar ein Youtube-Video gibt. Und ich habe weitere Projekte. Auch Kammermusik mache ich regelmäßig, vor allem im Quartett. Und mit Sängern wie Matthias Goerne habe ich schon gearbeitet.“
Jetzt soll es aber erst einmal vorwärtsgehen für María Dueñas: „Die Pandemie war nicht schön, aber ich bin ein Mensch, der das Positive sucht. Ich habe gestreamt, auch viel Repertoire gelernt.“ Sie hat zudem zum Abitur parallel am Menuhin Wettbewerb teilgenommen und gewonnen. Das ging terminlich nur, weil er diesmal online veranstaltet wurde.
Sie ist zudem privilegiert, weil sie auf gleich zwei teuren Geigen spielen darf, auf einer Nicolò-Gagliano-Violine von 17?4, einer Leihgabe der Deutschen Stiftung Musikleben, und der Stradivarius „Camposelice“ aus dem Jahr 1710, einer Leihgabe der Nippon Music Foundation: „Die Gagliano habe ich schon zehn Jahre, das ist toll, sie ist hell und brillant, sehr fordernd, sie hat mich zu der gemacht, die ich bin. Auf ihr habe ich auch das Beethoven-Konzert eingespielt. Die Stradivari ist weicher, dunkler, die liebe ich für leise Stücke und für Kammermusik.“
Dieses Beethoven-Album ist für María Dueñas in jedem Fall jetzt der Moment einer ersten Bilanz. „Ich denke aber bereits nach über Zeitgenössisches, will vielfältig bleiben. Denn so bleibt mein Musizieren lebendig.“

Neu erschienen:

Ludwig van Beethoven, Louis Spohr, Eugène Ysaÿe, Camille Saint-Saëns, Henryk Wieniawski, Fritz Kreisler

„Beethoven & Beyond“

María Dueñas, Wiener Symphoniker, Manfred Honeck

DG/Universal

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Das Denkmal feinfühlig abklopfend

Ausgerechnet Beethoven! Denkt man ­zunächst, und es geht auch breit und ­stoisch los. Doch nicht nur Manfred Honeck ist einer, der den wohlbekannten, oft gehörten Wiener-Klassik-Sound aus sich heraus mit neuem Leben zu erfüllen vermag; goldschimmernd klingend zudem von den Wiener Symphonikern ausgekostet. Die Mischung aus frischem Enthusiasmus und gelebter Tradition prägt auch die keineswegs umstürzlerische, aber satte, vitale, duftig atmende Interpretation des vielgehörten Stücks durch María Dueñas. Da hört man Respekt, aber auch Mut­willen, Formsinn und Freiheit. Vielleicht möchte eine junge Musikerin nicht alles anders machen, aber sich kreativ am scheinbar Vertrauten reiben. Das gelingt ihr in kleinen Akzenten genauso, wie in den feinfühlig das Material abklopfenden Kadenzen der drei Sätze, die sie selbst komponiert hat. Und auch die Beistücke sind überaus gelungen.

Manuel Brug, 20.05.2023, RONDO Ausgabe 3 / 2023



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