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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Zugabe

Namen, Nachrichten, Nettigkeiten: Neues von der Hinterbühne

Der finnische Bass Matti Salminen, der sein 40-jähriges Bühnenjubiläum in Deutschland feiert, hält nichts von gesundem Lebenswandel. »Wie viele in meinem Beruf esse ich zu viel. Gegen Bluthochdruck nehme ich eine Pille. Bis vor 26 Jahren war ich starker Raucher, mit zwei Packungen Roth- Händle pro Tag«, sagte er zuhause in Zürich. »Sogar viele Tenöre, die nicht die vorsichtigsten waren, haben eine sehr lange Karriere gemacht. Die Empfindlichkeit der Tenöre wie überhaupt der Sänger ist zum Teil eine eingebildete. » Wenn heute trotzdem so viele Sänger vorzeitig ihre Karriere beenden müssten, so habe das andere Gründe. »Sie scheitern, weil sie die eigene Schmerzgrenze nicht respektieren. Das Grundproblem ist immer wieder: Man zeigt mehr als man hat.«
Der neue Saal des Lucerne Festival, die sogenannte »Salle Modulable«, wird nicht gebaut. Nach Berichten des Schweizer Radio DRS ist damit das prestigeträchtigste Projekt von Intendant Michael Haefliger geplatzt. Es fehlen (nach Rückzug von Sponsorengeldern) 100 Millionen Franken. Die Planungen waren maßgeblich von Pierre Boulez inspiriert worden. Angesichts der Programmfülle und der Qualität der bereits vorhandenen Säle in Luzern hatten externe Beobachter das Projekt als leicht überzogen bezeichnet.
Pianist Emanuel Ax glaubt nicht daran, dass man Pianisten durch bloßes Hören voneinander unterscheiden kann. »Horowitz kann ich schon erkennen «, sagte er in New York. »Und auch Claudio Arrau, weil er so langsam spielte. Aber in den 30er Jahren hat er viel schneller gespielt; wie Lang Lang unter Koffein.« Die Unübersichtlichkeit des Feldes großer Pianisten sei jedenfalls ein Grund zum Optimismus. »So lange ich denken kann, hat es niemals eine schlechte Zeit des Klaviers gegeben. Großmeister im Überfluss!«
Wegen »Unvereinbarkeit der musikalischen Standpunkte« hat die Sängerin Waltraud Meier eine Wiederaufnahme von »Tristan und Isolde« am Opernhaus Zürich verlassen. Angeblich gab es Uneinigkeiten mit dem Dirigenten Bernard Haitink, der in der Branche für hochgradig verträglich und professionell gilt. Wie man hinter den Kulissen hört, hatte die Sängerin vom Dirigenten raschere Tempi verlangt und so die Machtfrage provoziert.
Eine Fusion der Universal, zu der unter anderem die Deutsche Grammophon und Decca gehören, mit der mächtigen Künstleragentur Harrison Parrot ist gescheitert. Das Ende der Gespräche wird als Niederlage für den Chef der Deutschen Grammophon, Michael Lang, gewertet. Hintergrund der beabsichtigten Fusion sind Bestrebungen, die CD- und die Auftrittsaktivitäten klassischer Künstler stärker miteinander zu verbinden, sprich: die CD-Firmen an den Gagen ihrer Künstler zu beteiligen.
Die Wagner-Sängerin Catarina Ligendza hatte bei ihrem vorzeitigen Bühnenabschied 1988 neben ihrem Ehemann lediglich einen einzigen Menschen eingeweiht: den Schriftsteller Thomas Bernhard. »Wir kannten uns gut, und er war es, der mich in meiner Entscheidung bestärkt hat.« Schon länger hatte sie sich aufgrund negativer Erfahrungen bei der Schallplatten-Produktion der »Meistersinger von Nürnberg« (mit Dietrich Fischer-Dieskau als Sachs) einer Schallplattenkarriere verweigert. Nicht einmal Carlos Kleiber vermochte es, sie zur Mitwirkung bei der Studioaufnahme von »Tristan und Isolde« in Dresden zu überreden. Seit ihrem Rückzug habe sie keinen einzigen Ton mehr gesungen, sagte sie bei einem ihrer raren Interviews in Berlin. »Im Stall ist keine gute Akustik. Und die Pferde erschrecken, wenn man singt.«
Nach Angaben von GfK Media Scope hat der Verkauf von Klassik-Tonträgern von Juli 2009 bis Juni 2010 um drei Prozent zugelegt. Der Anteil junger Käufer im Alter von 10 bis 29 Jahren stieg um ein Prozent. Die Zuwächse bei den 40- bis 49-Jährigen lagen bei fünf Prozent. Als Gründe für die gute Entwicklung werden die Komponisten-Gedenktage und Jubiläen angegeben (Chopin, Schumann, Mahler). Angesichts populärer Künstler wie Lang Lang, Anna Netrebko und Jonas Kaufmann deute die Konjunktur auch darauf hin, dass sich die Pop-Kultur in Richtung Klassik verändere. Dies ist die positive Kehrseite einer von manchen beklagten Popularisierung der Klassik.

Robert Fraunholzer, 04.01.2014, RONDO Ausgabe 6 / 2010



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