In der Renaissance beherrschten zwei Familien ganz Italien: die Guten und die Bösen. Die »Guten « waren die Mitglieder der Florentiner Bankiersfamilie de’ Medici, die sich weitestgehend an die Gesetze hielten (zumal sie sie oft selber gemacht hatte) und mäzenatisch die Renaissance blühen ließen (Michelangelo, Botticelli, da Vinci et al.). Die »Bösen«, das waren die Borgias, die keine Sauerei ausließen, um mächtiger als die Medici zu werden: kinderzeugende Päpste, familiäre Mordkomplotte, politische Giftmischereien, faule Kreditpakete – na ja, die gab’s damals noch nicht. Sonst hätten sie bestimmt auch auf dem Programm der Borgias gestanden ...
Diese doch recht farbenfrohe Epoche wollte Ruggero Leoncavallo zu einem Triptychon abendfüllender Opern formen, benannt »Crepusculum«, Dämmerung, womit der bekennende Wagnerianer natürlich auf die »Götterdämmerung« anspielte. Die erste der drei Opern sollte »I Medici« sein, und das ist auch die einzige, die er tatsächlich textete und komponierte. Zur zweiten (»Girolamo Savonarola«, der Bußprediger) und dritten (»Cesare Borgia«) kam es nicht mehr, zu harsch waren »I Medici« gefloppt. Dabei sind sie musikalisch vom Feinsten, und ihre Dramaturgie holpert auch nicht gerade: Leoncavallo war ein hochgebildeter Mann, der kannte seine Pappanieri (= italienisch für »Pappenheimer«). Geschickt führt er zu jenem Ereignis hin, das Medici und Borgias direkt aneinanderrasseln ließ: die sogenannte Pazzi-Verschwörung von 1478. Es ging um die Macht in Florenz. Rodrigo Borgia wollte die Brüder Giuliano und Lorenzo de’ Medici ermorden lassen, angeblich im Namen der rivalisierenden Bankiersfamilie Pazzi. Aber die gedungenen Häscher meuchelten nur Giuliano, Lorenzo entkam – und konnte erst recht die Medici als Herren von Florenz etablieren.
Die Musik zu dieser »nationalen Historie« pfefferte Leoncavallo mit Wagner-Zitaten etwa aus dem »Tristan«, aber auch mit »La traviata«-Verweisen für das zentrale Liebesdreieck Giuliano/ Fioretta de’ Gori. Bei all dem Heck und Meck kann man sich ausmalen, dass Giuliano eine der anspruchsvollsten Tenorpartien ist, von dem ja nicht mehr ganz taufrischen Plácido Domingo hier mit erstaunlich jugendlicher Strahlkraft gesungen. Überhaupt ist diese Plattenpremiere ein Labsal (herrlich veristische Spätromantik! Glänzende Ensembles!) nach den -zigsten Einspielungen der Top-Seller. Ausgegraben hat das Werk der Dirigent Alberto Veronesi, er restaurierte das versprengte Material und spielte es dann mit Kräften des Maggio Musicale Fiorentino ein. Warum »I Medici« wohl in Vergessenheit geriet? Der Maestro: »Die Oper ist früher Leoncavallo – war aber ihrer Zeit weit voraus. Eines der zahlreichen Rätsel der Musikgeschichte ...«
Thomas Rübenacker, 18.01.2014, RONDO Ausgabe 3 / 2010
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