home

N° 1307
27.05. - 02.06.2023

nächste Aktualisierung
am 03.06.2023



Startseite · Interview · Gefragt

Philippe Jordan

Hinter den Kulissen von Paris

Seinen Aufstieg ist man geneigt, unaufhaltsam zu nennen: Mit kaum 34 Jahren tritt Philippe Jordan diesen Herbst den Posten des Musikdirektors der Pariser Oper an. Von seinen Anfangsjahren als Kapellmeister in Ulm bis dorthin war der Weg weit – und steinig. Robert Fraunholzer sprach mit ihm über den Dirigentenberuf, seinen Vater, seinen Sprung nach Paris und Berliner Hoffnungen.

RONDO: Herr Jordan, würden Sie zustimmen, dass der Beruf des Dirigenten ein merkwürdiger Beruf ist?

Philippe Jordan: Das kann man sagen. Es ist dennoch ein dankbarer, schöner und sozialer Beruf. Man hat eine Leitungsfunktion, hängt aber von anderen Menschen ab. Man geht ständig mit Meisterwerken um.

RONDO: War Ihre Berufswahl durch Ihren Vater Armin Jordan vorgezeichnet?

Jordan: Er war musikalisch schon sehr prägend. Ich habe als Jugendlicher in seinen Proben gesessen. Und ich muss sagen, jetzt nach seinem Tod ist er für mich präsenter denn je, und zwar dann, wenn ich Musik mache. Direkt hinter meiner Schulter! »Mach doch mal so …«, höre ich ihn. Oder ich sehe ihn plötzlich vor mir, wie er sich über eine Stelle freuen und begeistern konnte. Ich suche auch wieder mehr die Gemeinsamkeiten, nicht mehr die Unterschiede. Mein Weg nach Paris ist auch vor diesem Hintergrund zu verstehen.

RONDO: Sie wirken – im Vergleich zu früher – verändert. Wie würden Sie Ihre Laufbahn beschreiben?

Jordan: Die ersten Jahre in Ulm, der Kapellmeistervertrag, das waren so die berühmten Galeerenjahre. Ich war zwölf Stunden am Tag im Theater. Die zweite Phase waren die Assistentenjahre in Berlin bei Daniel Barenboim. Die dienten eigentlich der Frage: Was ist Musik? Dann kamen in Graz die Aufbaujahre, wo es nicht mehr nur darum ging: Was kann ich? Sondern: Wer bin ich?

RONDO: Damit kamen die ersten Blessuren?

Jordan: Richtig. Da war ein Punkt erreicht, wo ich dachte: jetzt erst mal keine feste Stelle mehr. Ich war damals bereits zehn Jahre im Job, hatte etliches vernachlässigt. Das war eigentlich eine Identitätskrise. Ich hatte mein Leben zu sehr vernachlässigt. Ich war ausgelaugt. In Wirklichkeit hätte ich wohl den Vertrag verlängert, wenn man meine Bedingungen akzeptiert hätte. Letztendlich war ich froh, dass es nicht passierte. Dann kamen die Jahre als Gast.

RONDO: Von da ab ein Traumberuf?

Jordan: Nicht unbedingt. Plötzlich wurde ich nicht mehr gefragt: »Was möchten Sie?« Sondern: »Warum?!« Orchester wie die Wiener Philharmoniker, mit denen ich eine schöne Strecke gemeinsam gegangen bin, sind nicht neugierig darauf, was ein junger Mann ihnen zu sagen hat. Da steht dann eher ein Stimmführer auf und fragt: »Finden Sie nicht, dass man das eher so machen sollte?« Als Gast geht es überhaupt nicht darum, die eigene Interpretation umzusetzen. Sondern zu sehen: Aha, so spielen die das … und dem dann vielleicht eine kleine Drehung zu geben.

RONDO: Warum dirigieren Sie in Paris keine Eröffnungspremiere und kein neues Stück?

Jordan: Weil ich zum Zeitpunkt der Planung nach Berlin vergeben war. An der Staatsoper sollte Peter Mussbach Janáčeks »Sache Makropoulos« inszenieren, was aus finanziellen Gründen relativ kurzfristig ganz abgesagt wurde. Sehr ärgerlich. Mein Vertrag in Paris läuft sechs Jahre mit der Option auf neun. Die Pariser Oper, wo ich zunächst den »Ring« dirigieren werde, hat das Werk seit 50 Jahren nicht mehr gemacht. Es ist ein Orchester, zu dem ich von der ersten Probe an sehr guten Kontakt hatte. Nicht zuletzt ist Paris eine Stadt, wo man gerne einen Teil seines Lebens verbringen mag. Ein Berliner Standbein werde ich vielleicht trotzdem behalten. Berliner Wohnungen gibt man nicht auf.

RONDO: Berliner Hoffnungen auch nicht?

Jordan: Das stimmt insofern, als ein sinfonisches Gegengewicht wichtig wäre. Was Berlin anbetrifft, müsste man vorher die Situation sehr genau prüfen. Das Interesse ist seitens der Politik meines Erachtens nicht stark genug. Hier wird nicht drei bis vier Jahre, sondern nur eineinhalb Jahre im Voraus geplant. Die Opernstiftung scheint die Dinge auch eher zu blockieren. Ich warte auf das richtige Orchester zur rechten Zeit. Für mich ist ein großes Ziel erst einmal erreicht.

Robert Fraunholzer, 15.03.2014, RONDO Ausgabe 4 / 2009



Kommentare

Kommentar posten

Für diesen Artikel gibt es noch keine Kommentare.


Das könnte Sie auch interessieren

Pasticcio

Volle Kraft voraus!

Es ist ja nicht so, dass die zeitgenössische, experimentelle und freie Musik gerade in Berlin […]
zum Artikel

Steckenpferd

Steckenpferd – Daniel Müller-Schott

Sprühender Charme

Ein Star-Cellist, der die Ruhe liebt? Kaum vorstellbar – und doch geht Daniel Müller-Schott […]
zum Artikel

Musikstadt

St. Petersburg

2300 UNESCO-geschützte Gebäude, alter Zarenglanz und neue Musiktheatertechnik: Großfürst […]
zum Artikel


CD zum Sonntag

Ihre Wochenempfehlung der RONDO-Redaktion

Externer Inhalt - Spotify

An dieser Stelle finden Sie Inhalte eines Drittanbieters, die Sie mit einem Klick anzeigen lassen können.

Mit dem Laden des Audioplayers können personenbezogene Daten an den Dienst Spotify übermittelt werden. Mehr Informationen finden Sie in unseren Datenschutzbestimmungen.

Alexander Skrjabins frühe Werke sind in ihrer Tonsprache noch stark von Chopin und Liszt beeinflusst. Die Préludes op. 13, zeigen deutliche Bezüge zu Chopin, aber auch eine visionäre Originalität, die seine zukünftige Modernität vorwegnimmt. In der berühmten Étude in cis-Moll hört man komplexe Harmonien, während die epische Leidenschaft der Fantasie in h-Moll bereits den kompositorischen Fortschritt andeutet. Die italienische Pianistin Daniela Roma hat in ihrem Heimatland und den […] mehr


Abo

Top