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RONDO: Herr Spinosi, warum hat sich vor Ihnen kaum ein Dirigent für Vivaldis Opern interessiert?
Jean-Christophe Spinosi: Weil sie schwer zu machen sind. Bevor wir »La fida ninfa« aufgenommen haben, gab es keine Gesamtaufnahme dieser Oper. Das Problem besteht darin, dass Vivaldis Opern meist mehrere Stile in sich vereinigen. In »Orlando furioso« trifft der ältere, venezianische Stil auf den neueren, neapolitanischen. Das sieht man den Partituren nicht auf den ersten Blick an.
RONDO: Sind Vivaldis Opern auch schwierig zu hören?
Spinosi: Überhaupt nicht. Nur sind viele Musiker in die Falle einer einmaligen, zu flüchtigen Lektüre gegangen. Selbst John Eliot Gardiner hat in einem Interview gesagt, die Musik Vivaldis sei langweilig und uninteressant. Selbst einem so superben Musiker wie ihm ist das passiert. Die Folge von alldem ist, dass sich die Opernintendanten vor den Stücken fürchten und niemand sie anzurühren wagt.
RONDO: Welches sind die größten Meisterwerke Vivaldis?
Spinosi: »Orlando furioso« und »La fida ninfa«. Diese letztere ist die klassischere und weniger hybride Oper mit einer großen Anzahl wundervoller, hochvirtuoser Arien und zugleich köstlich verinnerlichter Musik. Auch »Juditha triumphans« halte ich für ein Meisterwerk. Die Qualität dieser Werke hat wohl auch damit zu tun, dass Vivaldi erst mit über 30 damit begann, Opern zu komponieren. Sie zeigen den Komponisten auf der Höhe seiner Fähigkeiten.
RONDO: Sind die berühmten »Vier Jahreszeiten« wirklich das zentrale Meisterwerk Vivaldis?
Spinosi: Ja, weil es sich um total unakademische und unkonventionelle Musik handelt. Vivaldi kann hier mit drei Noten eine Sache sonnenklar machen. Die Musikgeschichte irrt nicht so sehr.
RONDO: Sie gelten inzwischen als Vivaldi-Fex. Müssen Sie aufpassen, wieder den Absprung zu finden?
Spinosi: Unbedingt! Ich hatte ursprünglich drei Aufnahmen zugesagt, jetzt sind es vier geworden. Bis die Serie 2015 vollendet sein wird, werde ich Vivaldi hinter mir gelassen haben. Um auch Werke aus der Mitte des 20. Jahrhunderts zu dirigieren. Danach allerdings werde ich sicherlich umso lieber wieder zu ihm zurückkehren.
Robert Fraunholzer, 29.03.2014, RONDO Ausgabe 3 / 2009
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