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Mit seiner Mähne, die ihm wie ein Vorhang ins Gesicht fallen kann, hat Edin Karamazov schon etwas Wildes. Und erst recht, wenn er noch einen Dreitagebart und ein reich besticktes Folklorehemd trägt. Sobald er sich aber aus seinem wertvollen Instrumentenpark eine Theorbe oder eine Barocklaute herauspickt, verwandelt er sich in einen sensiblen Feingeist. »Denn jedes Mal, wenn ich die Laute zur Hand nehme, passiert etwas zwischen meinem Herzen und diesem Stück Holz«, so beschreibt Karamazov seine Verwandlung. Und so drängen plötzlich aus dem bauchigen Resonanzkörper und durch die kunstvoll gestalteten Schallloch-Rosetten erhabene Klänge voller Wärme. Wer diese Gabe zum Lautenflüsterer besitzt, dem sollten alle Türen offen stehen. Und selbstverständlich kann Edin Karamazov bereits auf einen beeindruckenden Karriereweg zurückblicken. Der Bosnier hat immerhin schon mit dem Hilliard Ensemble und Jordi Savall zusammengearbeitet. Weil aber selbst prominenteste Lautenisten wie Karamazovs Lehrer und Bewunderer Hopkinson Smith es eigentlich nie aus dem Alte- Musik-Zirkel heraus geschafft haben, fristete auch Karamazov auf dem hektischen Klassikmarkt ein bislang eher geruhsames Nischendasein.
Doch 2006 machte seine Karriere einen regelrechten Quantensprung. Als Popsänger Sting bei dem immerhin schon 41-Jährigen anklopfte, um ein gemeinsames Album mit Songs von John Dowland aufzunehmen. Seitdem ticken bei Karamazov die Uhren anders. Jeder andere würde sich in dieser Popularität sonnen. Nicht aber dieser tatsächlich eher schüchtern daherkommende Musiker. Vom Glamourparkett flüchtet er daher schon mal zurück auf den nackten Bürgersteig, wo er sich als Straßenmusiker unters Volk mischt und einfach seine Laute zum Singen bringen will. Oder er zieht sich ins Haus von Countertenor Andreas Scholl zurück, mit dem er bereits zwei Alben eingespielt hat. »Neben ihm zu sitzen, ist wie Medizin«, so Karamazov über den langjährigen Freund. »Seine Stimme besitzt eine heilende Wirkung. « Nachzuhören ist das auch auf Karamazovs neuestem Album »The Lute Is a Song«, für das er neben Scholl noch drei weitere Sänger eingeladen hat, »die ich verehre.« So wechseln sich Solowerke etwa vom Barockkomponisten Giovanni Zamboni und dem Zeitgenossen Carlo Domeniconi mit Arien von Händel (Scholl) und Purcell (Renée Fleming) ab. Und neben einer Ballade von und mit Sting ist Karamazov bei einem mazedonischen Volkslied im Duett mit der Sängerin Kaliopi zu hören. »Wäre ich ein Sänger, würde ich so singen wie sie.« Dabei hat dieser Lauten-Troubadour doch längst seine ganz eigene Stimme gefunden.
Reinhard Lemelle, RONDO Ausgabe 3 / 2009
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