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Der junge Musikveranstaltungsmanager ist entsetzt. Da dachte er, er habe einen großen Auftrag an Land gezogen: festliche Operngala, 120 Personen, mit Stars aus Mailand und der Arena di Verona. Er hat getrommelt, das Haus ist ausverkauft. Doch ein paar Tage vor der Veranstaltung reißt ihn ein Kontrollanruf beim Hotel aus allen Träumen: »Entschuldigung – 120 Personen?«, fragt der Tourneemanager zurück und korrigiert: »Wir waren noch nie mehr als 65!« Entsprechend seriös ist dann auch das beworbene Produkt. Was tun? Aufhören? Oder das Auseinanderklaffen von Werbung und Qualität still leidend als Realität des Marktes akzeptieren? Matthias Georg Kendlinger, der uns die Geschichte seines Einstiegs in die knallharte Welt des privatwirtschaftlich finanzierten Klassikbusiness erzählt, tat nichts von beidem: Er wählte sich fortan seine eigenen Ensembles aus – und hatte Erfolg, ohne sich schämen zu müssen. Doch auch das genügte dem 1964 geborenen Österreicher auf die Dauer nicht: 2002 hob er im ukrainischen Lemberg die K&K Philharmoniker aus der Taufe. Er entwickelte aber nicht nur das Ensemble, sondern auch seine eigenen musikalischen Fähigkeiten weiter. Schon als Jugendlicher und junger Erwachsener war er sehr erfolgreich als Akkordeonspieler in einer Unterhaltungsband in Oberkrainerbesetzung durch die Lande gezogen – nach dem Vorbild seines Großvaters und seiner Urgroßeltern. Wobei Spielen und Vermarkten damals noch eine Einheit bildeten: »Mein erstes großes Fest in unserm Dorf war für uns eine sehr große Aufgabe. Da haben wir ein Zelt für 2.000 Personen gehabt und drei Tage volles Programm gespielt – und das hat gut funktioniert.«
Nun also wagte Kendlinger den Schritt, diese verlorene Einheit auch in seinem neuen Wirkungsfeld, der Klassik, wiederherzustellen – und nahm Stunden bei dem renommierten Wiener Dirigentenschmied Leopold Hager. Bereits 2005, nach nur einem Jahr Unterricht, hatte er den Mut, mit seinem Orchester eine CD mit Märschen einzuspielen – und erntete verblüffte Anerkennung selbst bei Feuilletonisten, die nicht gerade als Liebhaber dieses Genres gelten. Was in dem baumstarken Kendlinger an urwüchsigem Volksmusikantentum steckt, konnte der im Gespräch sehr selbstkritische Dirigent mit der Präzision und Gestaltungsvielfalt eines qualifizierten und spürbar motivierten klassischen Sinfonieorchesters verbinden. Doch auch bei den bis zu 100 jährlichen Aufführungen der von ihm entwickelten »Wiener Johann Strauß Konzert-Gala« kann der Tiroler punkten. Wenn auch die eingestreuten gespielten Gags sowie der von Kendlinger nach Vorbild des tagesaktuell titelnden Strauß komponierte »Präsident-Obama-Marsch« ebenso wenig jedermanns Geschmack sein müssen wie die Tanzpaare, die während der Aufführung vor dekorativen Blumengebinden ebenso dekorativ über die Bühne wirbeln: Die wachen Blicke und präzisen Bogenbewegungen der Streicher, die überraschende Ausdruckskraft der Bläsersoli, der Spiel- und Sprachwitz der souveränen Sopransolistin und die vor Eifer glühenden Ohren des präzisen Schlagzeugers – alles legt Zeugnis davon ab, dass Kendlingers Truppe nicht nur unterhalten will, sondern wirklich etwas zu sagen hat.
Weswegen die K&K Philharmoniker von Veranstaltern von Abonnementkonzerten inzwischen auch gern für die schwergewichtigere Muse gebucht werden. Im Mai wird Kendlinger gar die neu gegründeten Tiroler Beethoven- Tage mit der »Schicksalssinfonie« des Bonner Meisters eröffnen und seiner Liebe zu Schubert mit einer Einspielung der »Unvollendeten« nachgehen. Er wird das sicher auch gut verkaufen. Nur die Seele nicht – die gibt es bei Kendlinger nämlich gratis.
Rondo Redaktion, 12.04.2014, RONDO Ausgabe 1 / 2009
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