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Ruhig, gefestigt, selbstbewusst und stets freundlich: So wirkte Albert Mangelsdorff bei jeder Begegnung. Er nahm sich Zeit für das Gespräch, er hörte zu, er stellte Fragen. Ein bedächtiger Mann war er, stets konzentriert, auch hinter der Bühne so aufmerksam wie im Konzert, bei dem er meist leicht vor und zurück wippte, oft tänzelte, immer in Bewegung war, das Instrument an den Lippen, und oft darauf zu lauern schien, wohin sich der Fluss der Improvisationen entwickeln würde. Seine Töne hatten Ecken und Kanten, und es war ihnen anzuhören, dass sie mit starkem Atem geformt wurden. Er widmete sich dem Jazz, der Posaune, der Improvisation, dem Klang, der Musik, indem er übte, übte und nochmals übte.
Vor allem in der zweiten Phase seiner Karriere konzentrierte er sich beim Üben auf die Stimme, denn mit ihr sang er einen zweiten Ton ins Instrument, der sich mit dem ersten aus der Posaune vermischte und über die gemeinsamen Obertöne oft einen dritten, vierten oder sogar fünften erzeugte. »Ich hatte ja keine ausgebildete Stimme«, erklärte er. »Ich muss täglich an der Stimme arbeiten. « Und: »Die Schwierigkeit besteht darin, die richtige Balance zwischen Stimme und Instrument zu finden.« Er, geboren am 5. September 1928, hat die Jazzgeschichte durchlebt. Während der Nazidiktatur lernte er über seinen Bruder Emil Platten von Duke Ellington und Count Basie kennen – sie zu besitzen war illegal und mit Haft bedroht. Dann kam die Nachkriegsära, in der er als Gitarrist in den Klubs der Amerikaner jobbte, und Anfang 1948 schließlich der Wechsel zu seinem neuen Instrument, der Posaune, mit der er in die Weltelite aufstieg. »Ich habe mir eigentlich nichts Derartiges vorgenommen. Ich wollte einfach das Instrument so gut beherrschen, wie es geht.« Das war schwer genug.
Es dauerte Jahre, bis er sich seiner sicher war und sagen konnte: »Ich bin’s, Albert Mangelsdorff.« Die Wende kam zu Beginn der Sechzigerjahre mit der Quintettscheibe »Tension«. Dass er zuvor 1958 als Mitglied der Newport International Band erstmals in den USA auftreten konnte und »mit sehr vielen Musikern, Jazzleuten, Kritikern geredet« hatte, war ein entscheidender Schritt. Unter anderem erkannte er in dieser Phase, »wie sehr es mir musikalisch liegt, in weiten Intervallen zu denken und zu spielen.« Auf »Tension« folgten »Now Jazz Ramwong« und weitere Plattenaufnahmen, zunächst für CBS und später für MPS, die Musikproduktion Schwarzwald, deren Fundus heute mit dem Etikett »Most Perfect Sound« neu aufgelegt wird.
1983 verkaufte Hans Georg Brunner- Schwer seine Firma MPS an Philips, und von dort gelangte sie zu Polydor. Es sei schrecklich, klagte er in den Folgejahren, dass die MPSAufnahmen nur noch zum Teil erhältlich seien. Jetzt, drei Jahre nach seinem Tod am 25. Juli 2005, hat sich dies geändert. In diesem Herbst erschienen all seine MPS-Aufnahmen in einer liebevoll aufgemachten Edition.
Werner Stiefele, 03.05.2014, RONDO Ausgabe 5 / 2008
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