Wenn es am Hofe Ludwig XIV. um die ganz große, bedeutsame Kunst des Lauten- und auch Gitarrenspiels ging, lag sie bei Robert de Visée in den allerbesten Händen (ca.1660 - ca.1732). So berichtete der Kammerherr des Königs: „Am Abend erging sich seine Majestät im Park. Gegen acht Uhr legte er sich wieder nieder und soupierte um zehn in seinem Bette. Gewöhnlich ließ er um neun Uhr Visée zum Gitarrenspielen kommen.“ Zwar nahm Visée erst nach dem Tod des Regenten den lang ersehnten Posten als „Maître de guitare du Roy“ ein. Zu Lebzeiten von Ludwig XIV. gehörte er aber schon fest zu einem erlesenen Zirkel aus Musikern, die bei höfischen Festlichkeiten aufspielten.
Von Visée liegen drei Notenausgaben vor, darunter das 1686 veröffentlichte „Livre de pièces pour la guitare“. Hieraus hat nun der spanische Alte Musik-Experte Xavier Díaz-Latorre zwei Suiten ausgewählt und mit vier Suiten für Theorbe kombiniert, die Visées Schüler Jean-Étienne Vaudry de Saizenay in Abschriften überliefert hat. Aufgenommen wurden sie von Díaz-Latorre auf zwei „modernen“ Prachtinstrumenten. In der Theorbe von Jaume Bosser (2000) sowie der fünfchörigen Gitarre (2007) steckt nämlich genau diese auch magisch dunkle Klangseele, die ideal zu Visées ganz und gar unglamourösen, insgesamt über 30 Piècen passt. Díaz-Latorre gelingt dabei mit seinem nuancierten wie einfühlsamen Spiel das scheinbar Paradoxe, den Hörer ganz nah an diesen intimen Wunderwerken teilhaben zu lassen und ihn dennoch auf Distanz zu halten, um das Private und einsame Glück nicht zu stören, das in dieser Musik mitschwingt. Einen nicht unerheblichen Anteil an dieser gelungenen Innenschau hat dabei auch die hervorragende Aufnahmetechnik.

Guido Fischer, 02.06.2018

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