Der Mann kann was. Emiliano Sampaios Kompositionen für die Bigband „Mega Mereneu Project“ strotzen vor Klangfarben, humorvollen Wendungen, rhythmischen Kniffligkeiten und dynamischen Finessen. Die auf einer zweiten CD vorgestellten Werke für die Combo „Meretrio“ profilieren ihn als sensiblen Kammermusiker. Diese Einschätzung als großes Talent spiegelt sich auch in der Liste der Preise, die der 1984 geborene Brasilianer seit seinem Umzug nach Graz errungen hat, darunter Auszeichnungen bei den Downbeat Student Awards als „Best Jazz Guitar Player“, „Best Blues/Pop Guitar Player“, „Best Arranger“ und „Best Composer For Large Ensemble“. Inzwischen umfassen seine Referenzen als Arrangeur, Leiter und Komponist unter anderem das Metropole Orkest, die hr Bigband, die Big Band Copenhagen, die HRT Croatian Radio Band und das Graz Composers Orchestra.
Warum der lange Vorspann über die Auszeichnungen? Weil vieles dafür spricht, dass der Gitarrist und Posaunist bald in der Spitzengruppe der Bigbandkomponisten angekommen sein wird. Emiliano Sampaio hat die seltene Gabe, fast unmerklich Stilgrenzen zu überschreiten, knackigen Funk mit orchestraler, vage an Count Basie erinnernder Bigbandfülle zusammenzuführen, flirrende Klanglandschaften und Piano-Einsamkeit, Zirkusfröhlichkeit und Strandromantik, Walzertakt und Brassrock, Gesang und Spoken-Word-Begleitung. Die Sprechtexte der Poetry Slammer David Friedrich und Thomas Spitzer bleiben indessen hinter dem Niveau der Musik zurück; insbesondere der Rap „Islamwissenschaften“ ist zwar eindeutig als Persiflage auf Vorurteile getextet, bleibt aber letztendlich ein oberflächlicher Gelegenheitstalk. Andererseits unterstreichen die Kompositionen die Bandbreite von Emiliano Sampaio.
Die neun Titel von Emiliano Sampaios Meretrio spiegeln eine ähnliche Vielfalt. Hier kommen Bluespower, Second Line Grooves, Gitarrenträumereien, Melodienseligkeit und zupackende Power zusammen. Dabei ist Sampaio oft gleichzeitig als Posaunist und Gitarrist zu hören. Im Studio ist dies per Overdubs problemlos möglich. Andererseits nutzt er auch hier Loops, die er in den digitalen Speicher spielt, um danach mit ihrer Wiedergabe Dialoge führen zu können. So wird dann aus einem stilvollen Trio ein Quartett, das keinen Deut weniger als die Bigband fasziniert.

Werner Stiefele, 02.03.2019

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