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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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I Love Jazz

Inge Brandenburg

Unisono Records/Edel 1013254UIS
(62 Min., 1959 - 1971)

Vor sechzig Jahren war Deutschland noch Jazzbrachland. Wer die Musik von Ella Fitzgerald, Louis Armstrong oder Count Basie mochte, setzte sich dem Vorwurf aus, er höre Negermusik. Doch eine kleine Szene hatte sich der amerikanischen Musik verschrieben und „jazzte“ so gut, wie es die eigene Ausbildung und die Kenntnisse über den amerikanischen Jazz zuließen. Wenn Rundfunkorchester etwas flotter als im gewöhnlichen Schlagerbetrieb aufspielten, reichte dies aus, eine Jazzreihe zu starten.
Bei Sängerinnen und Sängern war es üblich, die Intonation amerikanischer Vorbilder zu imitieren. So orientiert sich Inge Brandenburg (*1929 / †1999) bei „Summertime“ zunächst am voluminösen Gesangsstil von Ella Fitzgerald, bevor sie in einen kesseren Tonfall fällt. Andererseits shoutet sie im Blues „What’s The Matter, Daddy“ so kehlig und rau, wie es einer Europäerin ohne Erfahrung in Gospelchören oder Soulbands möglich ist. Einer der wichtigsten Aufsteiger jener Jahre, der Saxofonist Klaus Doldinger, begleitet sie bei diesen zwei Aufnahmen mit seinem Quartett.
Außer dem späteren Filmmusikkomponisten und Leiter der Jazzrockformation Passport schrieben weitere Größen des deutschen Jazz für Inge Brandenburg. Der spätere Bigbandleiter Peter Herbolzheimer arrangierte die deutschsprachige Version „Was weißt Du von Liebe“ des amerikanischen Klassikers „You Don’t Know What Love Is“ für Inge Brandenburg und das Südfunk Tanzorchester unter Leitung von Erwin Lehn. Mit Wolfgang Dauner ist ein weiterer bedeutender deutscher Jazzmusiker vertreten; er komponierte die Musik zu Inge Brandenburgs Texten „Like A Straw“ („Wie ein Strohhalm im Wind“) und „Das Riesenrad“. Mit dem Humor der 1960er Jahre übersetzte ihr Paul Kuhn die Jazznummer „Makin´ Whoopee“ als Seitensprung- und Scheidungsgeschichte.
Obwohl sich Inge Brandenburg vehement dagegen gewehrt hat, ins kommerzielle Fach gedrängt zu werden, erinnern die deutschsprachigen Songs eher an gehobene Schlager oder ein deutsches Pendant zu den Chansons als an den amerikanischen Jazz. Ganz anders verhält sich dies bei ihrer Coverversion von „Round Midnight“ mit dem Quartett des Hamburger Pianisten Michael Naura, das sie tatsächlich mit Jazzfeeling interpretiert.
Die achtzehn Songs aus den Jahren 1959 bis 1971 ergänzen die 2011 erschienene Disc „Sing! Inge, Sing!“, die zusammen mit einem Dokumentarfilm und einem Buch an die Sängerin erinnert. Ihr von einem deutschen Unterton geprägtes Englisch und ihr gebremster Swing lassen ahnen, wie schwer es nach dem Dritten Reich war, an das internationale Niveau aufzuschließen. Es zählt zu ihren Verdiensten, hier den Weg bereitet zu haben. Wer sich für die Geschichte des deutschen Jazz interessiert, kommt an dieser Disc nicht vorbei.

Werner Stiefele, 01.06.2019


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