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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Live In Gothenburg

E.S.T. Esbjörn Svensson Trio

ACT/Edel 1090462ACT
(107 Min., 10/2001) 2 CDs

Das Esbjörn Svensson Trio hat sich in den fünfzehn Jahren seiner Existenz mächtig gewandelt. Dies offenbart der Vergleich zwischen dem soeben veröffentlichten, am 10. Oktober 2001 in der Konzerthalle von Göteborg mitgeschnittenen Doppelalbum „Live In Gothenburg“ und der bereits 2007 erschienenen Konzertaufnahme vom 22. November 2006 aus der Laeiszhalle in Hamburg oder dem Album „E.S.T. Live“ aus dem Jahr 1995. Damals, im Gründungsjahr des Trios, wurde auf dem Cover noch vermerkt, die Klangverzerrungen, die man höre, erfolgten in voller Absicht. Später war es für die Fans selbstverständlich, dass manche Passagen völlig übersteuert aufgezeichnet wurden.
Nicht nur beim Aussteuerungspegel überschritt das E.S.T. die zuvor gültigen Limits. Auch die Musik hob sich von dem anderer Pianotrios ab, indem sie die Rhythmen der Rock- und HipHop-Generationen integrierte und folglich eher rockte als swingte. Das Göteborger Konzert steht in der Mitte der Bandgeschichte; es hat sich vom konventionell swingenden Klavier und seinen virtuosen Linienführungen des ersten Live-Albums bereits entfernt und ist noch nicht so dynamisch, harsch und kantig wie beim Hamburger Konzert. Ein entspanntes „Dating“ eröffnet den auf zwei CDs verteilten Reigen von Titeln, die zuvor auf den Alben „From Gagarins Point Of View“, „Good Morning Susie Soho“, „Live ´95“ und „Winter In Venice“ veröffentlicht wurden, sowie zwei zuvor unveröffentlichte Kompositionen „The Wraith“ und „Bowling“.
Innerhalb der Band stimmte an jenem 19. Oktober 2001 alles. Bestens gelaunt verschmolzen Pianist Esbjörn Svensson, der Kontrabassist Dan Berglund und der Schlagzeuger Magnus Öström zu einem homogenem Klang-Organismus, der mit Witz und Energie den Stücken neue Facetten abgewann. Dabei swingte Esbjörn beispielweise in „The Rube“ mit aus der Tradition übernommenen Jazzläufen, während ihm die beiden Kollegen mit rockenden Rhythmen Feuer machten. Andererseits nimmt sich – und das war 2001 ungewöhnlich – Öström im selben Stück die Freiheit zu einem zwischen asiatischer Percussion und Rock vermittelnden Solo.
Ähnlich unbekümmert setzen sich die drei auch in den anderen zehn Stücken über scheinbare Grenzen zwischen Genres und Stilen hinweg. Sie lassen sich auf lärmende Momente ein, sie werden hyperromantisch, sie zergliedern, sie montieren, sie werfen Brocken hin und vergnügen sich mit langen Bögen. Das Schöne an diesem Konzert ist, wie schnell plötzlich alles anders ist als es noch vor Sekunden gewesen ist. Und natürlich gibt es auch Passagen, in denen alle drei Instrumente völlig übersteuert und entsprechend verzerrt klingen. Das ist wohl das Geheimnis, weshalb der Livemitschnitt des von 1995 bis 2008 bestehenden Trios auch nach achtzehn Jahren frisch und zeitlos wirkt.

Werner Stiefele, 26.10.2019


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