In der viel gerühmten Band „Hildegard Lernt Fliegen“ greift er auch schon mal zu Küchenutensilien und Schreibmaschine. In seinem eigenen Trio Escape Argot spielt der Schweizer Christoph Steiner hingegen „nur“ Schlagzeug.
Was aber keinesfalls bedeuten soll, dass die Erzeugnisse des Dreierbundes mit Saxofonist Christoph Grab und Pianist Florian Favre konventionell wären. Das fängt schon mit der Besetzung an. Durch den Verzicht auf ein Bassinstrument wirken die mal skurrilen, mal in langen Bögen schwingenden Kompositionen des Bandleaders transparent, ohne jedoch an Druck einzubüßen. Und auch wenn Pianist Favre gelegentlich einen Moog-Synthesizer einsetzt, um für eine dezente Bassgrundierung zu sorgen, klingt die Musik nicht zeitgeistig elektronisch.
Steiner, Grab und Favre entwickeln vielmehr einen Argot, eine eigene Art von Gaunersprache, die viele verschiedene Idiome beinhaltet. Da wird ganz lyrisch im Geiste Jan Garbareks parliert („The Remains Of Lightness“), der Minimalismus eines Steve Reich heraufbeschworen (etwa in „Shimmering“) oder gar eine ganz neue Mundart erfunden, die man Heavy-Metal-Kammerjazz nennen könnte (im äußerst sprunghaften „Allowing (The Pride Question Mark)“).
Auch ohne entlegene Klopfmaterialien kann Steiner seine originelle Schlagzeugästhetik entfalten. Er lässt die Besen krummtaktig rascheln wie ein verschrobener Gärtner im Kampf gegen das Herbstlaub, erprobt das Metall seiner Becken wie ein Uhrmacher mit Schluckauf oder verwandelt ein Drumsolo in einen wilden Tanz auf den Toms. Und zur Not müssen die Mitmusiker ran: Mal werden die Atemgeräusche aus dem Mund des Saxofonisten, mal die Saiten im Inneren des Klaviers zu Erweiterungen des Schlagzeugs. So verschwimmen die titelgebenden „You. Me. Them“ zu einer vielgestaltigen Einheit mit einer eigenen Mundart.
Josef Engels, 09.11.2019
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